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Geheischnis

Ein Wort, das bleibt

Louis de la SARRE Siegel

✍️ Louis de la SARRE

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Autor, Herausgeber und geistiger Architekt von La Dernière Cartouche. Ich schreibe an der Schnittstelle von Politik, Geschichte und Medienkritik – analytisch, meinungsstark, unabhängig. Mein Fokus liegt auf europäischen Fragen, vergessenen Perspektiven und der Rehabilitierung des gesunden Menschenverstands im Zeitalter der ideologischen Nebelwerfer. La Dernière Cartouche ist kein Nachrichtenportal, sondern ein Ort für Klartext, Tiefenschärfe und intellektuelle Gegenwehr.

📂 Rubrik: Kunst & Kultur
🗓️ Veröffentlichung: 10. Mai 2025
📰 Medium: La Dernière Cartouche

Wir haben schon einige unübersetzbare Wörter vorgestellt – mignonne, zum Beispiel, im Französischen. Heute: ein Wort aus der Mundart, genauer gesagt aus dem Moselfränkischen. Ein Wort mit so viel Inhalt, dass es auch hier seinen Platz bekommen muss: Geheischnis.

Es gibt Wörter, die lassen sich nicht übersetzen. Sie stehen quer zu den Systemen, trotzen den Kategorien, entziehen sich der Funktionalisierung. Geheischnis ist so ein Wort. Ein Begriff aus der Mundart – aus dem Moselfränkischen, das von der Nahe über den Hunsrück im Saarland und auch in Lothringen gesprochen wird – und doch regional tief verankert ist. Wer ihn kennt, behält ihn. Wer ihn hört, spürt etwas.

Kein Geheimnis. Kein Anspruch. Kein Besitz.

Was Geheischnis nicht ist, lässt sich leichter sagen als das, was es ist. Es ist kein Geheimnis. Kein Besitzanspruch. Keine Forderung im rechtlichen Sinne. Und doch hat es mit Zugehörigkeit zu tun. Mit dem inneren Wissen: „Das gehört zu mir.“ Oder präziser: „Ohne das bin ich nicht ganz.“

Geheischnis stammt vermutlich von „hegen“ – im Sinn von umsorgen, bewahren, schützen. Es trägt Wärme in sich. Und Stille. Wer in einer schwierigen Situation ist, braucht ein Geheischnis. Wer nach Hause kommt, spürt es. Wer ein Kind auf dem Schoß hat, nennt es vielleicht nicht so – aber es ist da.

Was bleibt, wenn alles wackelt

In einer Zeit, in der Begriffe wie „Heimat“ oft zwischen Kitsch, Pathos und politischer Aufladung zerrieben werden, kommt Geheischnis leise daher. Es ist unauffällig, unspektakulär – aber unersetzlich. Es meint nicht das große Ganze, sondern das kleine Stabile. Es ist ein Raum in der Sprache für das, was wir brauchen, um Mensch zu bleiben.

„Godd sei Dangk, hatts in der Famill sei Geheischnis.“ „Geh mò riwwa zum Druudsche – es brauch jedzd e Geheischnis.“

Das sind keine Sätze, die man auswendig lernt. Das sind Sätze, die man erinnert. Weil sie sich an etwas festmachen, das tiefer liegt als Bedeutung: an Erfahrung.

Sprache als Speicher

Vielleicht ist Geheischnis ein Beweis dafür, dass Dialekte nicht nur Varianten des Deutschen sind, sondern emotionale Speicherräume. Sie enthalten das, was in der Standardsprache oft untergeht: Zärtlichkeit, Unverfügbarkeit, die Kunst der Andeutung.

Wer über Geheischnis spricht, spricht über mehr als ein Wort. Er spricht über das, was ein Zuhause braucht – und was die Sprache manchmal besser weiß als wir selbst.


🗣️ Kennen Sie ein Geheischnis? Oder sind Sie selbst eines – für jemanden?

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