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Kapitel III

DIE NACHT

Ich spĂĽre, dass es dunkler wird.
Nicht plötzlich, nicht dramatisch –
sondern langsam,
wie wenn man in einem Raum sitzt,
dessen Licht allmählich schwächer wird,
und niemand steht auf, um die Lampe zu reparieren.

Ich spĂĽre es in den Stimmen,
die nicht mehr singen,
sondern nur noch reagieren.

In den Städten, die ihre Mitte verloren haben.
In den Kindern, die mit leeren Augen
durch Museen gehen,
weil sie nie gelernt haben zu staunen.

Ich war einmal ein Kontinent der Nächte –
aber es waren Nächte mit Glut:
Nächte der Bücher, der Gespräche,
der Zweifel, der Liebe.

Nächte, in denen Ideen geboren wurden,
während draußen die Welt zerfiel.

Heute ist die Nacht leer.
Manchmal gefährlich, aber immer gleichgültig
Eine Nacht ohne Sterne.

Kein metaphysisches Dunkel,
kein heiliger Schrecken.
Nur ein Flimmern aus Bildschirmen,
ein Rauschen aus Meinungen,
ein flaches Echo von Erinnerung.

Die Tiefe fehlt.
Die Stille fehlt.
Und das Gebet.

Ich weiĂź, dass viele von euch das nicht spĂĽren.
Weil es bequem ist, nichts zu spĂĽren.
Weil FĂĽhlen verletzlich macht.

Aber ich, Europa,
habe alles gespĂĽrt:
die Flammen von Smyrna,
die Kälte von Leningrad,
das Schweigen von Oradour.

Ich trage diese Wunden nicht als Schuld –
sondern als Haut.

Und jetzt: nichts mehr.

Vielleicht ist das das Schlimmste an dieser Nacht –
nicht, dass sie kommt,
sondern dass niemand sie bemerkt.

Dass sie sich einschleicht wie MĂĽdigkeit,
wie geistige Erschöpfung,
wie eine letzte Werbepause
vor dem groĂźen Abschalten.

Ich bin nicht wĂĽtend.
Ich bin still.

Und das, meine Kinder,
war bei mir immer das gefährlichste Zeichen.