Loading

Cet article est disponible en : 🇫🇷 Français

Brücken über Gräber

Frankreich und Deutschland auf dem Weg zur Freundschaft

Louis de la SARRE Siegel

✍️ Louis de la SARRE

📖 Über den Autor lesen

Autor, Herausgeber und geistiger Architekt von La Dernière Cartouche. Ich schreibe an der Schnittstelle von Politik, Geschichte und Medienkritik – analytisch, meinungsstark, unabhängig. Mein Fokus liegt auf europäischen Fragen, vergessenen Perspektiven und der Rehabilitierung des gesunden Menschenverstands im Zeitalter der ideologischen Nebelwerfer. La Dernière Cartouche ist kein Nachrichtenportal, sondern ein Ort für Klartext, Tiefenschärfe und intellektuelle Gegenwehr.

📂 Rubrik: Politik & Geschichte
🗓️ Veröffentlichung: 01. Mai 2025
📰 Medium: La Dernière Cartouche

Anmerkung des Verfassers:
Meine Familie stammt aus Creutzwald, Metz, Solre-le-Château, Troyes und Dommartin im Rhône-Gebiet – Orte, die tief im französischen Boden verankert sind. Und doch wurde ich nicht in Frankreich geboren, sondern in Beaumarais, einem Stadtteil von Saarlouis. Der Name klingt französisch, das Umfeld war es auch – doch weil sich die Saarländer 1956 in einer Volksabstimmung entschieden, wieder Teil der Bundesrepublik zu werden, kam ich 1958 als Deutscher zur Welt.

Diese historische Verschiebung hat meine Biografie geprägt, aber sie hat meine innere Zugehörigkeit zu Frankreich nie geschmälert. Im Gegenteil: Sprache, Kultur, Denkweise – all das war mir von Anfang an vertraut. Die französische Welt lag nicht hinter einer Grenze, sie war Teil meines Alltags, meines Empfindens, meines inneren Kompasses.

Die deutsch-französische Freundschaft war für mich daher nie ein abstraktes politisches Projekt. Sie war etwas Persönliches, etwas Gewachsenes – getragen von Erinnerungen, Gesprächen, Begegnungen. Vielleicht schreibe ich deshalb immer wieder darüber. Nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus Dankbarkeit. Weil ich spüre, wie kostbar dieses Band ist. Weil ich weiß, was auf dem Spiel stand. Und weil ich glaube, dass die Brücken, die einst über Gräber gebaut wurden, immer wieder neu begangen werden müssen.

Darum dieser Artikel. Als Erinnerung. Und als Zeichen.

Mitterand KOHL VERDUN

Illustration von Louis de la Sarre, inspiriert von der Geste der Versöhnung zwischen François Mitterrand und Helmut Kohl am 22. September 1984 in Verdun.
Nur für redaktionelle Zwecke verwendet.

Ein Rückblick von Louis de la Sarre, mit redaktioneller Begleitung und Zwischenbemerkungen von Pierre Marchand

Die Geschichte der deutsch-französischen Versöhnung ist eine Geschichte der Staatsmänner. Ihrer Entschlossenheit verdankt Europa seine friedlichste Epoche nach Jahrhunderten von Kriegen.

Charles de Gaulle und Konrad Adenauer waren die ersten, die über den Schatten der Vergangenheit sprangen. Ihnen folgten Georges Pompidou und Willy Brandt, Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt, François Mitterrand und Helmut Kohl. Sie schlugen Brücken, wo einst Abgründe klafften, und wagten Freundschaft, wo Misstrauen herrschte.

Doch diese Versöhnung wurde nicht allein in den großen Amtsstuben von Paris und Bonn geschmiedet. Sie wuchs zuerst im Schatten der Grenze:
im Saarland, in Lothringen, in Baden und in der Pfalz. Dort, wo Wunden noch offen lagen, wo Erinnerungen an Besatzung und Verlust noch lebendig waren, bewiesen Menschen im Alltag, dass ein anderes Miteinander möglich war.

Diese Chronik folgt den Präsidenten und Kanzlern auf ihrem Weg der Annäherung – und sie ehrt die Grenzregionen, die oft lange vor den großen Reden den ersten Frieden lebten.

➀ Reims, 1962 – Die ausgestreckte Hand:
General de Gaulle und Kanzler Adenauer besuchen gemeinsam die Kathedrale von Reims – einst Symbol französischer Siege, nun Bühne für einen Neuanfang. Es ist der Moment, in dem Europa lernt, dass Versöhnung kein Akt der Unterwerfung, sondern der Würde ist.


➁ Verdun, 1984 – Die stille Geste:
François Mitterrand und Helmut Kohl reichen sich wortlos die Hand über den Gräbern von Verdun. Ein Augenblick von schmerzhafter Würde – ohne Inszenierung, ohne Pathos. Die Vergangenheit wird nicht vergessen, sondern in die Zukunft überführt.


➂ Nein zum Irakkrieg, 2003 – Gemeinsame Haltung:
Frankreich und Deutschland lehnen unter Jacques Chirac und Gerhard Schröder den Irakkrieg ab. Nicht die Erinnerung, sondern die Verantwortung prägt diese Entscheidung. Die Achse Paris–Berlin zeigt Haltung – inmitten eines geopolitischen Umbruchs.

„Zwei Flaggen, ein Wind“
Die Trikolore und die schwarz-rot-goldene Flagge – einst Symbole gegensätzlicher Lager, wehen heute gemeinsam.
Sie stehen für eine Freundschaft, die aus der Geschichte gelernt hat und in der Vielfalt ihre Stärke findet…

ADENAUER und de GAULLE

Illustration von Arion, erstellt exklusiv für La Dernière Cartouche. Künstlerische Darstellung ohne direkte Fotovorlage. Nur für redaktionelle Zwecke.

Zwischenbemerkung – Wiederbewaffnung als Störfaktor:
Dies war jedoch nicht die einzige Herausforderung. Die Wiederbewaffnung Deutschlands im Jahr 1955, ein Jahr vor der Saarabstimmung, war in Frankreich ein heikles Thema. Frankreich misstraute der deutschen Militärpolitik und sah in der Wiederaufrüstung eine potenzielle Bedrohung, die die französische Sicherheitslage gefährden könnte. Für viele Saarländer, die das deutsche Erbe in ihrer Sprache und Kultur lebendig hielten, blieb diese Frage besonders belastend.

I. Charles De Gaulle & Conrad Adenauer
Der Anfang der Versöhnung

Als Charles de Gaulle im Jahr 1958 erneut an die Spitze Frankreichs trat, war Europa ein verwundeter Kontinent. Deutschland, geteilt und unter den Augen der Sieger verwaltet, suchte nach einem neuen Platz in der Welt. Frankreich, stolz auf seine Geschichte, aber erschöpft von den Kriegen, rang um seine Rolle zwischen alten Imperien und neuen Mächten.“

De Gaulle verstand, dass die Zukunft Frankreichs nicht in der Feindschaft mit Deutschland liegen konnte. Er erkannte, dass wahre Größe nur dort entstehen konnte, wo frühere Feinde Brüder wurden. Doch seine Hand, so entschlossen sie ausgestreckt war, verlangte keinen Kadavergehorsam. Er suchte einen Partner, der aus eigener Kraft und freiem Willen den Frieden wollte.“

Konrad Adenauer, der Kanzler der jungen Bundesrepublik, sah ebenfalls, dass ohne Frankreich kein neues Deutschland denkbar war. Für ihn war die Westbindung Deutschlands ein überlebenswichtiges Ziel: Sicherheit im Bündnis, Integration in die freie Welt, Rückkehr zur Gemeinschaft der Nationen.“

Trotz dieser unterschiedlichen Prägungen fanden de Gaulle und Adenauer zueinander. Im Juli 1962 reiste de Gaulle nach Deutschland. Seine Reden – auf Deutsch gehalten – bewegten die Zuhörer tief. Er sprach nicht als General oder Sieger, sondern als Staatsmann, der um die Größe beider Völker warb.

In der Kathedrale von Reims, in jener Stadt, die einst Symbol des Sieges über Deutschland gewesen war, reichten sich de Gaulle und Adenauer die Hände. Es war kein symbolisches Theater, sondern ein historischer Augenblick: ein Pakt zwischen zwei alten Männern, gezeichnet von den Verwüstungen des Jahrhunderts, entschlossen, ihren Völkern eine andere Zukunft zu schenken.“

Das Ergebnis war der Élysée-Vertrag vom 22. Januar 1963. Ein Dokument, das nicht nur politische Konsultationen regelte, sondern die Grundlagen für ein neues, dauerhaftes Miteinander schuf: gemeinsame Ministerräte, Jugendbegegnungen, kultureller Austausch. Ein Vertrag, der erklärte, dass Frankreich und Deutschland fortan nicht gegeneinander, sondern miteinander ihre Zukunft gestalten wollten.“

Und doch: Während in Paris und Bonn historische Erklärungen abgegeben wurden, war es im Saarland und an den alten Grenzposten, wo sich zeigte, ob dieser Wille zum Frieden mehr war als bloßes Papier. Die Menschen dort, geprägt von Kriegsjahren, Besatzung, Verlust – sie lebten bereits vor, was in den Hauptstädten erst mühsam verhandelt wurde. Auf den Märkten von Saargemünd, in den Werkshallen von Forbach, in den Dörfern der Moselle begann die alte Grenze zu verwischen, nicht durch Erlass, sondern durch das tägliche menschliche Handeln.“

„So wurde der Anfang der großen Versöhnung nicht allein durch Reden und Verträge besiegelt, sondern im geduldigen, oft unsichtbaren Wachsen des gegenseitigen Vertrauens entlang der Narbenlinie Europas.“

II. Charles De Gaulle & Ludwig Erhard
Der Schatten großer Vorgänger

Als Ludwig Erhard im Oktober 1963 die Nachfolge Adenauers antrat, war der Élysée-Vertrag kaum unterzeichnet, die symbolische Umarmung der alten Feinde noch frisch. Doch das Verhältnis zwischen Erhard und de Gaulle war von Beginn an distanziert – nicht feindlich, aber ohne das persönliche Vertrauen, das de Gaulle mit Adenauer verbunden hatte. Der General betrachtete den neuen Kanzler mit Skepsis: als zu amerikanisch, zu wirtschaftsliberal, zu wenig staatsmännisch im französischen Sinne.

Erhard, der Architekt des deutschen Wirtschaftswunders, stand für eine nüchterne, marktorientierte Politik. Seine Priorität war die Einbindung in den westlichen Block, insbesondere die enge Partnerschaft mit den USA. De Gaulle hingegen träumte von einem souveränen Europa unter französischer Führung, unabhängig von Washington und London. Diese gegensätzlichen Vorstellungen führten rasch zu Verstimmungen.

Der Tiefpunkt kam mit der Präambel, die der Deutsche Bundestag dem Élysée-Vertrag im Mai 1963 voranstellte – noch unter Adenauer beschlossen, aber von Erhard als künftiger Kanzler mitgetragen. Darin wurde ausdrücklich die Treue zur NATO und zur transatlantischen Partnerschaft betont – ein Affront aus Pariser Sicht. Für de Gaulle war dies ein klarer Rückschritt: Der deutsch-französische Schulterschluss, den er als strategisches Gegengewicht zur angelsächsischen Welt verstanden hatte, wurde nun durch Berlin relativiert.

Bildquelle: Illustration nach einem historischen Pressefoto der dpa, aufgenommen am 21. Juni 1966. Rechte beim Bildanbieter: dpa picture alliance / Alamy Stock Foto – Bild-ID: DC96KP Nutzung ausschließlich für redaktionelle Zwecke – keine kommerzielle Verwertung.

Zwischenbemerkung – Frost zwischen Partnern:
Trotz dieser Differenzen kam es nicht zum offenen Bruch. Der Austausch zwischen den Regierungen ging weiter, das Deutsch-Französische Jugendwerk nahm seine Arbeit auf, Städtepartnerschaften florierten. Doch das politische Vertrauen zwischen Erhard und de Gaulle blieb brüchig. Es war die Phase einer diplomatischen Frostperiode – zwischen dem großen Aufbruch und der späteren Normalisierung.

III. Charles De Gaulle & Kurt Kiesinger
Die Suche nach einem neuen Ton

Mit Kurt Georg Kiesinger, der 1966 im Zuge der Großen Koalition an die Spitze der Bundesregierung trat, änderte sich der Ton in den deutsch-französischen Beziehungen. Kiesinger, ein rhetorisch geschulter, außenpolitisch denkender Kanzler, bemühte sich sichtlich um eine Wiederannäherung an de Gaulle. Der General nahm das diplomatische Werben zur Kenntnis – doch das Vertrauen blieb begrenzt.

Kiesinger wollte Brücken bauen, war sich aber bewusst, dass er nicht das persönliche Format eines Adenauer oder die historische Aura eines de Gaulle besaß. Seine Amtszeit war geprägt von europäischer Unsicherheit, innenpolitischer Stabilität und außenpolitischer Suche. Er bemühte sich, Frankreichs Vorstellungen einer starken, unabhängigen europäischen Gemeinschaft aufzunehmen – und zugleich Deutschlands Westbindung nicht infrage zu stellen.

Trotz dieser Differenzen war das Verhältnis von Respekt geprägt. Kiesinger, dem als gläubigem Katholiken und klassisch gebildetem Redner Frankreichs Kultur nicht fremd war, zeigte sich in der Sprache des Dialogs versiert. Doch der politische Gleichklang wollte sich nicht recht einstellen. Es war eine Übergangsphase – zwischen dem großen Pathos der Gründerzeit und dem nüchternen Pragmatismus der kommenden Jahre.

KIESINGER DE GAULLE UND BRANDT

Zeichnung auf Basis einer historischen Aufnahme von Reineke, Engelbert / © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Zwischenbemerkung – Differenzen über Europas Zukunft:
De Gaulle hielt weiterhin an seiner Vision eines „Europas der Vaterländer“ fest – einem Bündnis starker Nationalstaaten unter französischer Führung. Kiesinger hingegen war ein Verfechter der europäischen Integration im Geiste von Kommission und Gemeinschaftsinstitutionen. Auch die Frage der britischen Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft blieb ein Streitpunkt: Frankreich blockierte, Deutschland wollte erweitern.

Als de Gaulle 1969 zurücktrat, war das Kapitel der persönlichen Visionäre an der Spitze Frankreichs vorerst beendet. Mit Georges Pompidou begann eine neue Ära – nüchterner, wirtschaftsorientierter, kompromissbereiter. Für Kiesinger aber, dessen Kanzlerschaft 1969 ebenfalls endete, blieb die Partnerschaft mit Frankreich ein diplomatischer Kraftakt ohne emotionalen Resonanzraum.

IV. Willy Brandt & Georges Pompidou
Realismus über Rhetorik

Nach dem Rücktritt de Gaulles 1969 begann in Paris eine neue Ära. Georges Pompidou, ein Literat mit wirtschaftlichem Verstand, ein technokratischer Europäer ohne kultischen Anspruch, trat in große Fußstapfen – und füllte sie mit stillem Realismus. Während sein Vorgänger Europa vor allem als Bühne französischer Größe verstand, suchte Pompidou die Zusammenarbeit mit Deutschland als partnerschaftliches Projekt.“

„Willy Brandt, seit 1969 Bundeskanzler, war das Gegenstück in Bonn: ein Mann der Öffnung, geformt durch die Berliner Teilung, getrieben von der Idee eines friedlichen Wandels. Seine Ostpolitik, die dem Westen oft als gefährliches Spiel erschien, war für Pompidou zunächst Anlass zur Skepsis.“

„Doch Pompidou war klug genug, die historische Chance zu erkennen. Brandts feste Westbindung, seine klare Bekenntnis zur europäischen Integration und seine Offenheit im Stil öffneten neue Räume. Gemeinsam beschlossen beide 1969 in Den Haag, Großbritannien den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft zu ermöglichen – ein Schritt, den de Gaulle stets blockiert hatte. Damit gaben sie dem europäischen Projekt eine neue Richtung: offen, wirtschaftsnah, zukunftsorientiert.“

„Ihre Zusammenarbeit war kein Theater großer Gesten, sondern das still wachsende Vertrauen zweier Männer, die den Krieg kannten – und Frieden gestalten wollten. Brandt war kein geborener Diplomat, Pompidou kein gefühlsbetonter Romantiker – doch sie respektierten einander. In dieser Haltung wurzelte der neue Ton der siebziger Jahre: ein leiser Dialog, der weit trug.

„Für die Menschen in den Grenzregionen – in Saarbrücken, Forbach, Wissembourg – waren Pompidou und Brandt keine Männer der Mythen, sondern der Möglichmacher: Sie ermöglichten Begegnung, Austausch, Normalität. Und genau darin lag ihre Größe.“

BRANDT & POMPIDOU

Illustration nach einem historischen Pressefoto: © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA), Berlin. Quelle: www.bundesregierung.de. Nur für redaktionelle Zwecke.

Zwischenbemerkung – Gründungsimpuls für das Europäische Währungssystem:
Ebenfalls unter Pompidou und Brandt wurde die Idee eines gemeinsamen wirtschaftlichen Rahmens konkretisiert – der Beginn des Europäischen Währungssystems, das unter Schmidt und Giscard später weitergeführt wurde. Auch das DFJW wurde in dieser Zeit strukturell gestärkt.

Zwischenbemerkung – Brandts Ostpolitik als französischer Störfaktor:
Pompidou sah in Brandts Annäherung an Polen, die DDR und die Sowjetunion eine mögliche Gefährdung der französischen Position als wichtigster Ansprechpartner für Moskau. Paris fürchtete ein deutsches Übergewicht in der Ostpolitik – und die Illusion einer vorschnellen Wiedervereinigung.

GISCARD UND SCHMITT

Illustration nach einem Videostandbild aus dem Beitrag: „Trauer um Helmut Schmidts Weggefährten Giscard d’Estaing“, AFP Deutschland, veröffentlicht auf YouTube am 3. Dezember 2020. Nur für redaktionelle Zwecke verwendet.

Zwischenbemerkung (4) – Deutsch-Französisches Jugendwerk (DFJW):
Giscard verstand, dass der Weg zu einer dauerhaften Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland über junge Menschen führen musste. Das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) und ähnliche Austauschprogramme waren in dieser Zeit von entscheidender Bedeutung, da sie den lebenslangen Dialog zwischen den Nationen stärkten. Giscard unterstützte das Werk aktiv, da er wusste, dass echte Freundschaft nicht nur auf politischen Vereinbarungen beruhte, sondern auf den Beziehungen zwischen den kommenden Generationen.

V. Valéry Giscard d’Estaing & Helmut Schmidt
Die Architekten der europäischen Ordnung

Als Valéry Giscard d’Estaing 1974 die Präsidentschaft Frankreichs übernahm, wehte ein neuer Wind über Europa. Der General und seine unmittelbaren Nachfolger hatten die Ruinen aufgeräumt und die Brücken geschlagen – nun galt es, auf diesem Fundament zu bauen. Giscard, ein Mann der modernen Technik, der liberalen Gesellschaftsreformen und der europäischen Visionen, suchte den Schulterschluss mit Deutschland nicht mehr nur aus historischer Verpflichtung, sondern aus der Überzeugung, dass die Zukunft Europas von einem engen deutsch-französischen Tandem abhing.

Auf der anderen Seite des Rheins stand Helmut Schmidt, ein kühler Stratege und Wirtschaftsdenker, dessen Weltbild von der Notwendigkeit wirtschaftlicher Stabilität und politischer Vernunft geprägt war. Schmidt und Giscard verband von Anfang an eine persönliche Freundschaft, geboren aus gegenseitigem Respekt und der gemeinsamen Erfahrung, dass Führung in stürmischen Zeiten keine Geste, sondern ein tägliches Ringen um Balance bedeutete.

Gemeinsam entwickelten sie das Europäische Währungssystem, das als Vorläufer des späteren Euro gelten kann. Sie planten die politische Konsultation enger als je zuvor, trafen sich regelmäßig, oft in privater Atmosphäre, sprachen nicht in diplomatischen Floskeln, sondern mit dem nüchternen Ernst von Männern, die wussten, dass die europäische Einigung kein Selbstläufer sein würde.

In dieser Phase wurde die deutsch-französische Freundschaft weniger durch symbolische Bilder, sondern durch konkrete Institutionen und neue Verflechtungen gestärkt. Städtepartnerschaften florierten, Austauschprogramme intensivierten sich, wirtschaftliche Kooperationen wurden zur Selbstverständlichkeit.“

Und wieder war es die Grenzregion, die am stärksten spürte, was diese politische Partnerschaft bedeutete: Arbeitsplätze auf beiden Seiten der Grenze, neue Verkehrswege, gemeinsame Kulturprojekte – in Lothringen, im Saarland, in Baden und der Pfalz wurde Europa zur gelebten Realität, lange bevor Brüssel sein Gesicht fand.

Zwischenbemerkung – Zwiespalt Marchand/de la Sarre:
Wie in den Jahren zuvor waren es auch hier die Grenzregionen, die die eigentliche Substanz der deutsch-französischen Kooperation lebendig machten. In den Städten und Dörfern an der Grenze ging es nicht nur um politische Projekte, sondern um das alltägliche Leben der Menschen, die zusammenarbeiteten, um Arbeitsplätze zu schaffen und das kulturelle Erbe zu pflegen. Diese Projekte wurden von beiden Regierungen aktiv unterstützt, doch der wahre Motor der Versöhnung war der tägliche Austausch zwischen den Bürgern.

Giscard und Schmidt waren keine Träumer. Sie waren Architekten einer Ordnung, die nicht durch Pathos, sondern durch Vernunft Bestand haben sollte. Ihre Freundschaft war kühl, aber fest – gebaut auf der Erkenntnis, dass wahre Partnerschaft im geteilten Alltag wächst und nicht in der einmaligen Geste vergeht

VI. François Mitterrand & Helmut Kohl
Das große M  –  die Versöhnung der Herzen

Mitterand und Kohl

Illustration von Louis de la Sarre, inspiriert von der Geste der Versöhnung zwischen François Mitterrand und Helmut Kohl am 22. September 1984 in Verdun.
Nur für redaktionelle Zwecke verwendet.

Zwischenbemerkung (5) – DFJW und symbolische Freundschaft:
Mitterrand verstand, dass die Versöhnung zwischen den beiden Ländern auch eine symbolische Dimension hatte, die durch kulturelle Initiativen und Jugendaustausch gestärkt werden musste. Das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) spielte hier eine wichtige Rolle. Es ermöglichte jungen Menschen, über Sprache und Kultur hinweg zu lernen, und bereitete so die Grundlage für eine langfristige und dauerhafte Partnerschaft zwischen den Völkern, nicht nur zwischen den Staaten.

François Mitterrand trat 1981 als erster sozialistischer Präsident der Fünften Republik an die Spitze Frankreichs. Seine Wahl markierte nicht nur einen innenpolitischen Umbruch, sondern auch eine neue Phase der deutsch-französischen Beziehungen. Mitterrand, der politisch aus einer völlig anderen Tradition als seine konservativen Vorgänger stammte, bewies bald, dass er die Bedeutung der Partnerschaft mit Deutschland ebenso hoch einschätzte wie de Gaulle oder Pompidou. Doch sein Stil war anders: weniger militärisch, weniger administrativ – dafür stärker geprägt von Symbolik, Kultur und Erinnerung.

In Helmut Kohl, der 1982 Bundeskanzler wurde, fand Mitterrand einen Partner, der ebenfalls die historische Last verstand, die auf beiden Nationen lag. Kohl, aus der katholischen Welt der Pfalz stammend, trug das Gedächtnis der Kriegsjahre tief in sich. Beide Männer verband weniger persönliche Freundschaft als vielmehr ein gemeinsames historisches Empfinden: die Gewissheit, dass die Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland nicht nur fortgeführt, sondern auf eine höhere Stufe gehoben werden musste.

Der große Moment kam 1984 in Verdun. Auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs, wo Franzosen und Deutsche sich einst zu Hunderttausenden abgeschlachtet hatten, standen Mitterrand und Kohl einander gegenüber. Keine vorbereiteten Reden, keine zeremoniellen Gesten diktierten die Szene. Es war ein einziger, schlichter Augenblick: zwei Männer, die sich die Hand reichten, still, ernst, fast schmerzhaft in ihrer Würde. Dieses Bild, das große M, wurde zum neuen Urbild der europäischen Versöhnung – stärker als jeder Vertrag, tiefer als jede diplomatische Note.

Zwischenbemerkung (6) – Verdun und der „große M“:
Der Moment in Verdun wurde zu einem Ikon der deutsch-französischen Versöhnung. Es war nicht nur ein symbolischer Akt, sondern eine echte Gemeinschaftserfahrung. Für die Menschen in den Grenzregionen, wie dem Saarland und Lothringen, war dieser Augenblick ein Echo ihrer eigenen, täglichen Bemühungen um Zusammenarbeit und friedliche Koexistenz. Verdun wurde zu einem Ort, der das Erinnern und das Handeln in Einklang brachte und zeigte, dass die Wunden des Krieges nicht durch Vergessen, sondern durch das bewusste Erinnern geheilt werden können.

In den Jahren, die folgten, arbeiteten Mitterrand und Kohl eng zusammen. Sie trieben die europäische Integration voran, planten die Währungsunion, gaben dem geeinten Europa eine gemeinsame politische Handschrift. Aber über allem stand die stille Macht dieses einen Moments in Verdun: die Erkenntnis, dass der Weg zur Zukunft nicht am Vergessen der Vergangenheit vorbeiführte, sondern durch das bewusste Erinnern hindurch.Während Paris und Bonn in großen Linien planten, wurde an der Grenze das neue Europa weiter gefestigt. Im Saarland, in Lothringen, in Baden und in der Pfalz wurden Austauschprogramme zu selbstverständlichen Ritualen. Gemeinsame Schulen, Städtepartnerschaften, wirtschaftliche Netzwerke ließen das wachsen, was oben beschlossen wurde: nicht einen Vertrag zwischen Staaten, sondern ein Band zwischen Menschen.

Mit Mitterrand und Kohl erreichte die deutsch-französische Freundschaft einen moralischen Gipfel. Danach sollte vieles pragmatischer, nüchterner werden – aber die Hand von Verdun blieb ein unauslöschliches Zeichen: dass Frieden möglich ist, wenn Mut, Erinnerung und Menschlichkeit sich die Hand reichen.

Das Saarland

Labor der Versöhnung

Während Präsidenten und Kanzler auf den großen Bühnen die Versöhnung besiegelten, geschah an der alten Grenze zwischen Frankreich und Deutschland etwas ebenso Bedeutendes: In der Stille der Städte und Dörfer, auf den Märkten, in den Schulen und Betrieben wuchs der Frieden zuerst.

Zwischenbemerkung – Persönliche Erinnerungen (De la Sarre):
Für viele Saarländer war es der alltägliche Austausch über die Grenze hinweg, der die wahre Bedeutung der Versöhnung erlebbar machte. Die Generation, die nach dem Krieg aufwuchs, spürte den Frieden nicht nur als politische Geste, sondern im täglichen Leben: auf den Märkten, an den Schulen, im Umgang miteinander. Als Kind im Saarland konnte de la Sarre selbst erfahren, wie der Pragmatismus des Friedens zu einer gelebten Realität wurde.

Das Saarland, jenes kleine, von der Geschichte geschundene Land zwischen Mosel und Blies, spielte dabei eine Schlüsselrolle. Nach 1945 stand es unter französischer Verwaltung, getrennt von der neugegründeten Bundesrepublik, politisch eigenständig, wirtschaftlich eng an Frankreich gebunden. Johannes Hoffmann, der Ministerpräsident, träumte von einem europäischen Sonderweg für das Saarland – ein Bindeglied zwischen zwei Völkern, das nicht wieder ins alte nationale Muster zurückfiel. Auf der anderen Seite stand Gilbert Grandval, der französische Hochkommissar, dessen kluge Politik der Behutsamkeit und des Respekts es ermöglichte, dass das Saarland nicht zu einem neuen Zankapfel wurde, sondern zu einem Experimentierfeld der Versöhnung.“

Zwischenbemerkung – Sonderstatus Saarland nach 1945:
Das Saarland hatte nach dem Krieg einen besonderen Status: Es war unter französischer Verwaltung und politisch eigenständig. Johannes Hoffmann, der erste Ministerpräsident des Saarlands, suchte einen eigenen europäischen Weg, während Gilbert Grandval, der französische Hochkommissar, durch diplomatische Zurückhaltung dafür sorgte, dass das Saarland nicht erneut zum Streitpunkt wurde. Dies schuf die Grundlage für die spätere Rückkehr des Saarlands zur Bundesrepublik im Jahr 1957.

Doch dieser Weg war nicht ohne Widerstände. Die Sehnsucht vieler Saarländer nach der Zugehörigkeit zu Deutschland blieb stark, gespeist von Sprache, Kultur, familiären Bindungen. Als 1955 in einer Volksabstimmung das europäische Saarstatut zur Disposition stand, lehnten es fast 68 Prozent der Wähler ab. Es war eine klare Entscheidung für die Rückkehr in die deutsche Gemeinschaft – und zugleich ein Moment großer Reife auf französischer Seite: Paris akzeptierte das Ergebnis, widerstand der Versuchung zur Revanche, und öffnete damit den Weg für eine wahre Freundschaft.

Am 1. Januar 1957 wurde das Saarland offiziell Teil der Bundesrepublik. Doch die französischen Spuren blieben lebendig: in der Sprache, in der Architektur, im kulturellen Gedächtnis. Das kleine Land, das so oft zum Spielball der Mächte geworden war, bewies, dass Aussöhnung möglich ist – durch Geduld, durch Pragmatismus, durch die stille Kraft des Gewachsenen.

In den Jahrzehnten danach trug das Saarland diese Mission weiter. Besonders in der Ära Oskar Lafontaines, der als Bürgermeister von Saarbrücken und später als Ministerpräsident wirkte, wurde die Rolle des Saarlands als Brückenland neu belebt. Lafontaine knüpfte enge Bande nach Lothringen und Elsass, förderte den Austausch, verteidigte die Zweisprachigkeit, setzte sich für grenzüberschreitende Projekte ein. In einer Zeit, in der große Gesten rarer wurden, hielt das Saarland die Flamme der Versöhnung im Alltag am Leben.“

Hier, wo Menschen jenseits aller Verträge und Reden einander begegneten, entstand die wahre Substanz der deutsch-französischen Freundschaft. In den Schulpartnerschaften, den Städtefreundschaften, den Märkten, wo Französisch und Deutsch selbstverständlich nebeneinander erklangen. Im gemeinsamen Alltag, der bewies: Aus Feinden können Nachbarn werden. Und aus Nachbarn Brüder.“

Zwischenbemerkung (2) – „Kühler“ Blick Adenauers auf das Saarland:
Adenauers Blick auf das Saarland war jedoch nicht von einer tiefen emotionalen Verbundenheit geprägt. Stattdessen betrachtete er das Saarland als politisches Pfand im internationalen Machtspiel. Erst als die geopolitischen Gegebenheiten es verlangten, gab er dem Saarland seine Rückkehr zur Bundesrepublik frei. Dieser pragmatische Ansatz, so notwendig er war, wurde von vielen als kalkuliert wahrgenommen und trug zu den Spannungen bei.

Nach dem Gipfel

Die Ära der Verwaltung

Als François Mitterrand und Helmut Kohl sich in Verdun die Hände reichten, erreichte die deutsch-französische Freundschaft ihren symbolischen Höhepunkt. Danach begann eine neue Epoche: weniger getragen von großen Gesten, dafür geprägt von der stillen, oft mühsamen Arbeit am Erreichten.

Chiracund Kohl

VII. Jacques Chirac & Helmut Kohl
Die letzte Brücke der alten Ordnung

Illustration nach einer Fotovorlage von Reuters, 1997. Mit Bundeskanzler Helmut Kohl und Präsident Jacques Chirac.
Nur zur redaktionellen Nutzung. Keine kommerzielle Verwertung.

Jacques Chirac, der 1995 auf François Mitterrand folgte, war der letzte französische Präsident, der die Aura der Nachkriegszeit noch persönlich kannte. In seinem Habitus lebte ein leiser Nachhall des Gaullismus fort – national geprägt, europäisch ausgerichtet, doch stets bedacht auf die Souveränität Frankreichs.

Mit Helmut Kohl verband ihn weniger persönliche Vertrautheit als ein historischer Gleichklang: Beide Männer waren tief verwurzelt im Bewusstsein der Verantwortung für Europa. Chirac, der als junger Offizier den Kolonialkrieg miterlebt hatte, und Kohl, der das Trauma des Zweiten Weltkriegs in sich trug, wussten um die Zerbrechlichkeit der europäischen Idee – und die Notwendigkeit, sie immer wieder neu zu begründen.

In den Jahren nach dem Mauerfall arbeiteten beide am Ausbau der europäischen Institutionen, am Vertrag von Amsterdam, an der Vorbereitung der Osterweiterung. Doch es war ein später Moment, der ihre gemeinsame Haltung besonders deutlich machte: der Widerstand gegen den Irakkrieg 2003.

Als Washington zum Sturm auf Bagdad rief, stellten sich Frankreich und Deutschland gemeinsam quer – nicht aus Antiamerikanismus, sondern aus historischer Verantwortung. In einem seltenen Akt diplomatischer Entschlossenheit setzten Chirac und Kanzler Schröder ein Zeichen gegen den politischen Mainstream: Kein Krieg ohne Mandat, keine Intervention ohne Legitimität.

In jenem entscheidenden Augenblick, als Frankreich und Deutschland sich weigerten, einer amerikanischen Offensive blind zu folgen, bewährte sich die alte Achse erneut – nicht im Glanz großer Bilder, sondern in der stillen Standhaftigkeit gemeinsamer Prinzipien. Chirac war damit nicht nur der letzte Staatsmann der Nachkriegsära – er war auch der Erste, der Europa in eine neue Zeit der multipolaren Weltordnung führte.

VIII. Nicolas Sarkozy & Angela Merkel
Pragmatismus und Präsenz

Bildnachweis: Illustration nach einem Pressefoto von AFP: „Das kann Angela Merkel auch: Ansonsten ist Nicolas Sarkozy für seine Grimassen bekannt“ – Quelle: AFP / via WELT.de   Nur für redaktionelle Zwecke verwendet. Keine kommerzielle Nutzung.

Angela Merkel, die 2005 zur Kanzlerin gewählt wurde, führte diese Partnerschaft in eine neue, pragmatische Phase. Ihre Beziehungen zu Nicolas Sarkozy und François Hollande waren geprägt von gegenseitigem Respekt, aber nicht von jener Herzlichkeit, die die Ära Kohl-Mitterrand ausgezeichnet hatte. Als Emmanuel Macron 2017 das Amt übernahm, hoffte dieser auf einen neuen Aufbruch. Gemeinsam traten sie auf, etwa beim Gedenken an hundert Jahre Ende des Ersten Weltkriegs, betonten die Notwendigkeit eines handlungsfähigen Europas und unterstützten vorsichtig die Idee einer engeren europäischen Verteidigung. Doch die Dynamik, die Macron erhoffte, blieb begrenzt. Merkel, längst zur Kanzlerin der Stabilität geworden, begegnete seinen Initiativen mit der Ruhe einer Krisenmanagerin – bewahrend, nicht aufbrechend. Ihre Zusammenarbeit war geprägt von Professionalität, nicht von visionärer Kraft.

Hollande Merkel

Angela Merkel und François Hollande – Eine Begegnung der Vernunft:

Illustration nach einer Aufnahme von AFP/Bertrand Langlois (Paris, 2015). Das Originalfoto zeigt Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident François Hollande vor dem Élysée-Palast. Die Zeichnung interpretiert den Moment als Sinnbild einer sachlichen, aber stabilen Partnerschaft in bewegten Zeiten. Nur für redaktionelle Zwecke.

Zwischenbemerkung – Verdun als Symbol der Versöhnung:
Der Moment in Verdun im Jahr 1984, als Mitterrand und Kohl sich die Hand reichten, blieb nicht nur symbolisch bedeutsam, sondern gab der deutsch-französischen Zusammenarbeit eine neue Richtung. Es war der Beginn einer Zeit, in der die praktische Zusammenarbeit und nicht nur die großen politischen Gesten die Grundlage des Friedens bildeten. Hier begann der lange Prozess des Wachstums und des Vertrauens, das an der Grenze lebendig wurde – besonders in Städten wie Saarbrücken oder Forbach.

IX. François Hollande & Angela Merkel

Die Verwaltung des Gewöhnlichen

Mit François Hollande trat 2012 ein Präsident an, der noch einmal an jene zurückerinnerte, die das Projekt Europa aus dem historischen Schmerz heraus formten. Seine Zusammenarbeit mit Angela Merkel war sachlich, aber auch getragen von einem stillen Respekt für die deutsch-französische Achse. In Zeiten multipler Krisen – von der Euro-Schuldenkrise bis zu den Anschlägen von Paris – suchte Hollande den Schulterschluss mit Berlin, nicht um große Visionen zu inszenieren, sondern um das europäische Haus gegen Erschütterungen zu stabilisieren.

Er war kein Charismatiker, aber ein leiser Vertreter jener Generation, die noch wusste, was Versöhnung bedeutete. Unter seiner Präsidentschaft wurde die enge Abstimmung in Verteidigungsfragen, bei Klima- und Sozialpolitik weiter vertieft – auch wenn das mediale Echo oft hinter der Kraft der Bilder früherer Jahrzehnte zurückblieb.

MERKEL UND MACRON
Illustration nach einem Foto von Michel Euler/AP/dpa. Nur zur redaktionellen Verwendung im Rahmen der Serie „Cartouches de l’Histoire“.

X. Emmanuel Macron & Angela Merkel
 Bewahren statt Aufbruch

Angela Merkel, die 2005 zur Kanzlerin gewählt wurde, führte diese Partnerschaft in eine neue, pragmatische Phase. Ihre Beziehungen zu Nicolas Sarkozy und François Hollande waren geprägt von gegenseitigem Respekt, aber nicht von jener Herzlichkeit, die die Ära Kohl-Mitterrand ausgezeichnet hatte. Als Emmanuel Macron 2017 das Amt übernahm, hoffte dieser auf einen neuen Aufbruch. Gemeinsam traten sie auf, etwa beim Gedenken an hundert Jahre Ende des Ersten Weltkriegs, betonten die Notwendigkeit eines handlungsfähigen Europas und unterstützten vorsichtig die Idee einer engeren europäischen Verteidigung. Doch die Dynamik, die Macron erhoffte, blieb begrenzt. Merkel, längst zur Kanzlerin der Stabilität geworden, begegnete seinen Initiativen mit der Ruhe einer Krisenmanagerin – bewahrend, nicht aufbrechend. Ihre Zusammenarbeit war geprägt von Professionalität, nicht von visionärer Kraft.

Illustration nach einem Pressefoto von AFP („Ihr Zerwürfnis ist tiefgreifend: Emmanuel Macron und Olaf Scholz“). Nur für redaktionelle Zwecke im Rahmen historisch-politischer Berichterstattung verwendet.

XI. Emmanuel Macron & Olaf Scholz
Die Freundschaft als stilles Fundament

Olaf Scholz, der 2021 die Nachfolge Merkels antrat, setzt diesen Stil fort. Die deutsch-französischen Beziehungen bleiben ein Fundament Europas, doch sie sind eingebettet in ein komplexeres Geflecht globaler Herausforderungen, nationaler Eigeninteressen und europäischer Unsicherheiten. Die Freundschaft ist heute weniger ein gefeiertes Versprechen als eine stille Selbstverständlichkeit – kostbar, aber nicht mehr visionär aufgeladen.

Zwischenbemerkung – Internationale Dimension der deutsch-französischen Freundschaft:
Die deutsch-französische Freundschaft hat sich im Laufe der Jahre in ein fundamentales Element der europäischen Stabilität verwandelt. Doch in der Ära von Merkel und Scholz ist die Beziehung zunehmend von internationalen Herausforderungen und einer Vielzahl von globalen Unsicherheiten geprägt. In einer vernetzten Welt sind Vertrauen und Zusammenarbeit nicht mehr so sehr auf persönliche Sympathien angewiesen, sondern auf die professionelle Zusammenarbeit in einem schwieriger gewordenen politischen Klima.

Und doch: Ohne die großen Gesten der Vergangenheit, ohne die stillen Begegnungen an der Grenze, ohne das frühe Vertrauen, das in Städten im Grenzgebiet wuchs, wäre diese Selbstverständlichkeit nie entstanden. Das Werk der großen Männer und der einfachen Menschen lebt fort, unscheinbar, aber unersetzlich.

EIN ZEITREISE

Französische Präsidenten – Deutsche Bundeskanzler

Französischer PräsidentAmtszeitDeutscher BundeskanzlerAmtszeit
Charles de Gaulle1959 – 1969Konrad Adenauer1949 – 1963
Charles de Gaulle1959 – 1969Ludwig Erhard1963 – 1966
Charles de Gaulle1959 – 1969Kurt Georg Kiesinger1966 – 1969
Georges Pompidou1969 – 1974Willy Brandt1969 – 1974
Valéry Giscard d’Estaing1974 – 1981Helmut Schmidt1974 – 1982
François Mitterrand1981 – 1995Helmut Kohl1982 – 1998
Jacques Chirac1995 – 2007Gerhard Schröder1998 – 2005
Nicolas Sarkozy2007 – 2012Angela Merkel2005 – 2021
François Hollande2012 – 2017Angela Merkel2005 – 2021
Emmanuel Macron2017 – heuteOlaf Scholz2021 – 2025

Zwischenbemerkung – Internationale Dimension der deutsch-französischen Freundschaft:
Die deutsch-französische Freundschaft hat sich im Laufe der Jahre in ein fundamentales Element der europäischen Stabilität verwandelt. Doch in der Ära von Merkel und Scholz ist die Beziehung zunehmend von internationalen Herausforderungen und einer Vielzahl von globalen Unsicherheiten geprägt. In einer vernetzten Welt sind Vertrauen und Zusammenarbeit nicht mehr so sehr auf persönliche Sympathien angewiesen, sondern auf die professionelle Zusammenarbeit in einem schwieriger gewordenen politischen Klima.

Frieden ist eine tägliche Entscheidung

Die Geschichte der deutsch-französischen Versöhnung ist keine gerade Linie, kein einziger heroischer Moment, der alles veränderte. Sie ist ein Weg voller Zweifel, Widerstände und zäher Geduld – ein Weg, der von großen Männern gewiesen, aber von gewöhnlichen Menschen gegangen wurde.

Charles de Gaulle und Konrad Adenauer reichten einander die Hand über die Gräber der Vergangenheit hinweg. Georges Pompidou und Willy Brandt setzten das Miteinander der Vernunft über die Erinnerung an alte Kriege. Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt bauten an einer Ordnung, die über die Sprache der Wirtschaft hinaus eine neue politische Heimat schaffen sollte. François Mitterrand und Helmut Kohl schließlich fanden die Geste, die Herz und Geschichte miteinander versöhnte.

Doch ohne das tägliche Handeln der Menschen an der Grenze, ohne das geduldige Wachsen von Vertrauen zwischen Saarländern und Lothringern, zwischen Pfälzern und Elsässern, wäre diese Versöhnung hohl geblieben. In den kleinen Städten und Dörfern, in den Werkshallen, auf den Märkten, in den Schulen und auf den Fußballplätzen wurde die große Geschichte mit Leben gefüllt. Hier wuchs ein anderes Europa – nicht diktiert, sondern gelebt.

Die Menschen, die in diesen grenzüberschreitenden Regionen lebten, gaben dem europäischen Projekt die lebendige Substanz, die es brauchte, um mehr zu werden als ein bürokratisches Konstrukt. Diese neue Form der Nachbarschaft – geprägt von Vertrauen, Zusammenarbeit und geteiltem Schicksal – war die Grundlage für die spätere europäische Einigung.

Heute, achtzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, erscheint die deutsch-französische Freundschaft selbstverständlich. Sie ist in Verträgen verankert, in europäischen Institutionen eingebettet, in Schulbüchern gelehrt. Aber ihr wahres Wesen bleibt zerbrechlich, so wie jedes große Werk menschlicher Hand. Frieden ist keine geerbte Selbstverständlichkeit. Frieden ist eine tägliche Entscheidung – bewusst, getragen von Erinnerung, Mut und der leisen Bereitschaft, Brücken zu schlagen, wo früher Abgründe waren.“

Es ist die stille Pflicht der Gegenwart, dieses Erbe nicht als Besitz zu begreifen, sondern als Aufgabe. Und es ist die Hoffnung, dass aus dem, was einst mit bebender Hand über Trümmer hinweg gereicht wurde, eine neue Generation schöpfen kann: für ein Europa, das sein Gedächtnis bewahrt, weil es weiß, was es kostet, es zu verlieren.

Die wahre Substanz der deutsch-französischen Freundschaft bleibt, wie der Text es betont, zerbrechlich. Während heute vieles selbstverständlich scheint – von der europäischen Union bis zur europäischen Integration – ist es entscheidend, dass wir dieses Erbe bewahren und nicht als Selbstverständlichkeit betrachten. Es bleibt die Aufgabe der jetzigen Generation, das Erbe der Versöhnung nicht nur zu erhalten, sondern weiter lebendig zu machen. Es geht darum, Brücken zu schlagen und sicherzustellen, dass diese Europäische Freundschaft in den kommenden Jahrzehnten weiterhin gepflegt wird.

Hinweis zur Bildverwendung:
Die rechtlich erforderlichen Angaben zu Herkunft, Gestaltung und Inspiration der verwendeten Bilder sind auf der deutschsprachigen Seite dokumentiert. Einige Illustrationen basieren auf historischen oder aktuellen Fotografien, die als künstlerische Vorlage dienten und in stilisierter Form neu interpretiert wurden.

Note sur l’utilisation des images :
Les mentions légales concernant l’origine, la conception et l’inspiration des images utilisées sont disponibles sur la version allemande du site. Certaines illustrations s’inspirent de photographies historiques ou contemporaines, servant de base à une réinterprétation graphique stylisée.

Klicke hier, um Ihren eigenen Text einzufügen