Summary

✅ Hauptthema:
Ein Artikel über Pierre Séguy und seine legendäre Radiosendung „Chanson de Paris“ beim Saarländischen Rundfunk (SR).

✅ Kernpunkte des Artikels:
Pierre Séguy als Brückenbauer zwischen dem Saarland und der französischen Chanson-Kultur.
Die besondere Erkennungsmelodie der Sendung: „Les Copains d’abord“ von Georges Brassens.
Die Bedeutung der Sendung für frankophile Saarländer.
Der emotionale Wert: nicht nur eine Musiksendung, sondern ein Fenster zu französischer Lebensart, Melancholie, Freundschaft.
Verbindung zum Lokal „Les Copains d’abord“ in Metz, als heutiger Erinnerungsort.

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Les Copains d’abord

Erinnerungen an Pierre Séguy und sein Chanson de Paris

Louis de la SARRE Siegel

✍️ Louis de la SARRE

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Autor, Herausgeber und geistiger Architekt von La Dernière Cartouche. Ich schreibe an der Schnittstelle von Politik, Geschichte und Medienkritik – analytisch, meinungsstark, unabhängig. Mein Fokus liegt auf europäischen Fragen, vergessenen Perspektiven und der Rehabilitierung des gesunden Menschenverstands im Zeitalter der ideologischen Nebelwerfer. La Dernière Cartouche ist kein Nachrichtenportal, sondern ein Ort für Klartext, Tiefenschärfe und intellektuelle Gegenwehr.

📂 Rubrik: Kunst & Kultur
🗓️ Veröffentlichung: 31. Mai 2025
📰 Medium: La Dernière Cartouche

Die Sendung begann immer mit dem unverwechselbaren Gitarren-Intro aus Georges Brassens’ ‚Les Copains d’abord‘ – ein kurzer Erkennungsriff, der sofort die Stimmung setzte. Sobald die ersten Takte erklangen, trat der Alltag in den Hintergrund. Das Saarland, dieses kleine Grenzland zwischen Deutschland und Frankreich, öffnete sich für eine Stunde hin zum Herzen von Paris.

Dann kam die Stimme. Warm, kultiviert, unaufgeregt, mit einem feinen französischen Akzent, der allein schon ein Versprechen war: „Chers amis de la chanson, bonsoir.“ Liebe Freunde des Chansons, guten Abend. So eröffnete Pierre Séguy seine Sendung „Chanson de Paris“ beim Saarländischen Rundfunk – eine Sendung, die über 30 Jahre lang weit mehr als bloßes Radioprogramm bot. Sie war Ritual, Brücke, ein offenes Fenster in eine Welt aus Musik, Poesie und bittersüßer Melancholie.

Pierre Séguy, geboren 1921 in Wien als Otto Robert Steinschneider, war ein Mann, der das Rampenlicht mied. Nach Kriegserfahrungen und aktiver Résistance-Tätigkeit kam er nach dem Zweiten Weltkrieg ins Saarland, als Teil der französischen Besatzungsverwaltung. Dort fand er Heimat. Séguy wurde Journalist beim Saarländischen Rundfunk und brachte ab den 1970er-Jahren seine große Leidenschaft auf Sendung – das französische Chanson.

In „Chanson de Paris“ sprach er als Liebender. Er kannte die Geschichten, die Gesichter hinter den Stimmen, verstand die Metaphern, die politischen Zwischentöne, die sprachlichen Raffinessen.

Für das Saarland hatte diese Sendung besondere Bedeutung. Das Saarland gleicht einem Lied, einem Chanson zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen Kohle und Kultur, zwischen deutscher Nüchternheit und französischer Melancholie. Für die Generation, die nach dem Krieg geboren wurde, bedeutete Frankreich mehr als Nachbarschaft. Es war Sehnsucht, Mythos, ein Versprechen. Pierre Séguy erfüllte dieses Versprechen Woche für Woche. Seine Sendung öffnete ein Fenster in die Welt des französischen Liedes und hielt dem Hörer zugleich einen Spiegel vor. Wer zuhörte, entdeckte darin Sehnsucht, Fremdsein, Leidenschaft.

Stell dir vor, du bist 20. Das Saarland wirkt eng, die Welt klein, die Möglichkeiten begrenzt. Jeden Sonntagabend schaltest du das Radio auf SR, die Musik beginnt, und plötzlich weitet sich das Zimmer. Piaf singt von der Liebe, Ferré von der Revolte, Brel vom Exzess. Du hörst, lernst, träumst – und jedes Mal, wenn Séguy seine Sendung beendet, sitzt du noch ein paar Minuten da und denkst: Für eine Stunde war ich woanders. Für einen frankophilen Saarländer bedeutete „Chanson de Paris“ mehr als ein Radioprogramm. Es war eine Schule der Melancholie, der Poesie, des Aufbegehrens. Es prägte die Identität.

Es ist Dezember 1995. Die letzte Sendung „Chanson de Paris“ läuft. Das bekannte Intro erklingt ein letztes Mal: „Les copains d’abord“, diese vertrauten Akkorde, die über Jahre hinweg zum Soundtrack des Sonntagsabends geworden sind. Pierre Séguy meldet sich, mit der gleichen Wärme, der gleichen Würde wie immer: „Chers amis de la chanson, bonsoir.“ An diesem Abend liegt etwas in der Luft. Es handelt sich um mehr als eine Begrüßung. Es ist ein Abschied.

Während er seine Künstler präsentiert – vielleicht noch einmal Aznavour, Gréco, Barbara – hören die Hörer mit einem doppelten Herzen zu. An diesem Abend endet mehr als eine Sendung. Eine Epoche geht zu Ende. Eine Zeit, in der das Radio Unterhaltung und Begleitung bot. Eine Zeit, in der ein Saarländer, der Frankreich liebte, Woche für Woche ein Stück Heimat fand – jenseits der Grenze, mitten im Wohnzimmer. Eine Zeit, in der ein Mann wie Pierre Séguy zeigte, dass das Chanson weit mehr als ein Lied ist. Es ist ein Leben.

Manchmal, wenn ich wieder in Metz bin, gehe ich in die Brasserie, die mehr als ein Lokal ist: Les Copains d’abord. Der Name über der Tür trägt Erinnerung, Lied, einen stillen Gruß an Pierre Séguy, an seine Sendung, an eine Zeit, in der das Leben zwischen Deutschland und Frankreich von Stimmen getragen wurde, von echter Präsenz.

Ich sitze dort, bestelle einen einfachen Teller – vielleicht ein Entrecôte, vielleicht eine Quiche – und ein Glas Rotwein. Während ich den ersten Schluck nehme, höre ich sie in meinem Kopf: die alten Stimmen. Aznavour, der von verpassten Chancen singt. Barbara, die mit gebrochener Stimme Göttingen umarmt. Brel, der über die Ränder seiner Welt hinausbrüllt. Und Séguy, der sanft und kultiviert zwischen den Liedern führt.

In diesem Moment verwandelt sich die Brasserie in ein Echo. Ein stilles Echo einer schönen, vergangenen Zeit. Ich lächle leise, hebe das Glas und denke: Les copains d’abord. Auf die Freunde, auf die Musik, auf alles, was bleibt.

Französisches Original deutsche Übersetzung
Non, ce n’était pas le radeau
De la Méduse, ce bateau
Nein, es war nicht das Floß
der Medusa, dieses Boot
Qu’on se le dise au fond des portsDas soll man sich in allen Häfen erzählen
Il naviguait en père peinard
Sur la grand-mare des canards
Es segelte wie ein ruhiger Alter
auf dem großen Ententeich
Et s’appelait les Copains d’abordUnd es hieß „Die Freunde zuerst“
Ses fluctuations de flot
Ne faisaient pas peur aux matelots
Seine Schwankungen
erschreckten die Matrosen nicht
Et les virages à la corde
À la barre, les copains d’abord
Und bei engen Kurven
standen immer die Freunde am Ruder
C’étaient pas des amis de luxe
Des petits Castor et Pollux
Es waren keine Luxusfreunde,
keine kleinen Castor und Pollux
Des gens de Sodome et Gomorrhe
Non, c’étaient pas des anges non plus
Keine Leute aus Sodom und Gomorra
Nein, Engel waren sie auch nicht
L’Évangile, ils l’avaient pas lu
Mais ils s’aimaient, tout’s voiles dehors
Die Bibel kannten sie nicht
Aber sie liebten sich mit vollen Segeln
Toutes voiles dehors, les copains d’abordMit vollen Segeln, die Freunde zuerst
C’étaient pas des amis choisis
Par Montaigne et La Boétie
Es waren keine Freunde
aus Montaignes und La Boéties Auswahl
Sur le ventre ils se tapaient fort
Les copains d’abord
Sie klopften sich kräftig auf den Bauch
Die Freunde zuerst
Au moindre coup de Trafalgar
C’est l’amitié qui prenait l’quart
Beim kleinsten Unwetter
übernahm die Freundschaft die Wache
C’est elle qui leur montrait le Nord
À eux, les copains d’abord
Sie zeigte ihnen den Weg
den Freunden zuerst
Et quand ils étaient en détresse
Qu’leurs bras lançaient des S.O.S.
Und wenn sie in Not waren,
wenn ihre Arme SOS riefen
On aurait dit des sémaphores
Les copains d’abord
Dann sah man sie wie Signalmasten
die Freunde zuerst
Au rendez-vous des bons copains
Y avait pas souvent de lapins
Beim Treffpunkt der guten Freunde
gab es selten Absagen
Quand l’un d’entre eux manquait à bord
C’est qu’il était mort
Wenn einer fehlte an Bord,
dann nur, weil er gestorben war
Oui, mais jamais, au grand jamais
Son trou dans l’eau ne se refermait
Ja, aber niemals, wirklich niemals
schloss sich sein Platz im Wasser
Cent ans après, coquin de sort
Il manquait encore
Hundert Jahre später, verdammt noch mal,
fehlte er immer noch
Des bateaux, j’en ai pris beaucoup
Mais le seul qui ait tenu le coup
Ich habe viele Boote gesehen,
aber das einzige, das durchhielt
Qui n’ait jamais viré de bord
Mais viré de bord
Das nie den Kurs änderte
nur um zu ändern
Naviguait en père peinard
Sur la grand-mare des canards
Segelte wie ein ruhiger Alter
auf dem großen Ententeich
Et s’appelait les Copains d’abord
Les Copains d’abord
Und hieß „Die Freunde zuerst“
Die Freunde zuerst

🌊 Worum geht es in „Les Copains d’abord“?

Das Lied ist eine Hymne auf die Freundschaft – aber nicht irgendeine Freundschaft, sondern eine raue, bodenständige, unprätentiöse Freundschaft.

Brassens benutzt das Bild eines kleinen, einfachen Bootes – es heißt „Les Copains d’abord“ (Die Freunde zuerst) – das auf dem Wasser schwimmt, nicht aus Luxus, nicht aus Glanz, sondern weil es von Loyalität, Zusammenhalt und Treue getragen wird.

Er sagt ganz klar:
Es geht nicht um große Namen, berühmte Helden, biblische Figuren oder große Intellektuelle – die „Copains“, diese einfachen Freunde, sind das, was wirklich trägt.
Sie sind es, die bei Unwettern zusammenhalten, die einander nicht im Stich lassen, die niemanden vergessen, auch dann nicht, wenn einer schon gestorben ist.

🛶Die Bilder

* **Das Floß der Medusa**: Ein berühmtes Bild aus der französischen Geschichte (und Kunst, durch das Gemälde von Géricault), das für Schiffbruch, Drama, Tragödie steht. Brassens sagt: Unser Boot ist nicht so – wir gehen nicht unter, wir bleiben zusammen.
* **Die großen Namen (Montaigne, La Boétie, Castor & Pollux, Engel)**: Diese Freunde sind keine perfekten Ideale oder mythologischen Figuren. Sie sind echt, unperfekt, manchmal rau, manchmal sogar vulgär – aber ehrlich.
* **Die Freundschaft als Kompass**: Wenn Stürme kommen, wenn es schwer wird, ist es die Freundschaft, die den Kurs hält, die Richtung gibt.
* **Das Bild des Fehlens**: Wenn einer der Freunde stirbt, bleibt sein Platz für immer leer, niemand füllt ihn aus – er bleibt Teil der Gruppe, auch in der Erinnerung.

🎶 Warum ist dieses Lied so besonders?

Weil es das Thema Freundschaft auf eine zutiefst menschliche, uneitle Art behandelt.
Brassens schreibt keine große Hymne, kein schwelgendes Gedicht, sondern ein liebevolles, ironisches, weises Lied darüber, wie wichtig es ist, jemanden zu haben, der bleibt.
Er beschreibt, wie Menschen zusammenhalten, nicht weil sie perfekt sind, sondern weil sie gemeinsam durchs Leben segeln – und dieses Segeln, dieses „in Bewegung bleiben“, ist das, was zählt.

🌊 Les Copains d’abord – Eine Reflexion über Freundschaft

Es gibt Lieder, die uns begleiten. Georges Brassens’ „Les Copains d’abord“ gehört dazu.Dieses Lied feiert die Freundschaft als etwas Echtes, Bodenständiges, manchmal rau, immer ehrlich.

Das kleine Boot aus dem Lied bleibt auf Kurs, weil alle an Bord zusammenhalten.Keine Helden, keine Engel, keine Philosophen. Einfach Freunde.Die Menschen, die bleiben, wenn Stürme toben.Die Menschen, die den Weg zeigen, wenn alles aus den Fugen gerät. Und selbst wenn einer fehlt, bleibt sein Platz Teil der Erinnerung. Wahre Freundschaft füllt keine Lücken – sie knüpft Bänder, die Zeit und Leben verbinden.

Wer „Les Copains d’abord“ hört, spürt sofort: Hier geht es nicht um große Gesten oder schöne Worte. Hier geht es um echte Momente, um den Tisch, das Glas, das Lachen, das warme Gefühl, angekommen zu sein. Hier sind die Freunde – immer zuerst.

SR-Chansonexperte Pierre Séguy
SR-Chansonexperte Pierre Séguy
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