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Wo bleibt hier die Moral?
Weshalb Streecks Aussage das Solidarprinzip herausfordert.
Ein einzelner Satz kann ausreichen, um eine politische Richtung sichtbar zu machen. Der CDU-Gesundheitspolitiker Hendrik Streeck äußerte in einer Talkrunde des Senders WELT TV, man brauche „klarere und verbindliche Leitlinien“, damit bestimmte teure Medikamente bei sehr alten Menschen möglicherweise nicht mehr eingesetzt würden. Es gebe „Phasen im Leben“, in denen bestimmte Behandlungen „nicht mehr einfach so benutzt werden sollten“.
Streeck verwies auf fortgeschrittene Krebserkrankungen und schilderte einen theoretischen Fall: Eine neue Studie würde eine Senkung der Sterblichkeit um zehn Prozent zeigen. Vor diesem Hintergrund stellte er die Frage, ob man „wirklich diese teuren Medikamente“ bei einer hundertjährigen Patientin einsetzen solle. Der Kostenaspekt wurde damit ausdrücklich mit dem Lebensalter verknüpft.
Die medizinische Entscheidungslogik folgt allerdings anderen Parametern: Nutzen, Risiken, Prognose, Lebensqualität. Das Alter gehört als Kontext dazu, gilt aber nicht als Ausschlusskriterium. Wenn der Preis einer wirksamen Therapie in Verbindung mit einem hohen Alter zum zentralen Argument gegen eine Behandlung wird, verschiebt sich die Grundlage der Bewertung.
Das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung beruht auf gemeinsamer Verantwortung. Die Finanzierung des Systems orientiert sich nicht an rentabilitätsorientierten Kriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten. Eine altersbasierte Begrenzung teurer Therapien würde diesen Grundgedanken verändern und ökonomische Erwägungen stärker in die medizinische Versorgung hineintragen.
Auf gesellschaftlicher Ebene entsteht ein weiterer Effekt. Die Kombination aus hohen Kosten und hohem Alter kann leicht den Eindruck einer Belastungsgruppe erzeugen. Dadurch verschiebt sich der Fokus weg von strukturellen Ursachen steigender Gesundheitsausgaben – darunter Medikamentenpreise, Versorgungspolitik oder langfristige Fehlplanung – und hin zu jenen, die für diese Entwicklungen nicht verantwortlich sind.
Die zentrale Frage lautet, nach welchen Maßstäben eine Gesellschaft medizinische Entscheidungen im hohen Alter trifft. In Deutschland galt bislang der Grundsatz, dass Würde und Versorgungsanspruch nicht von Kosten abhängig gemacht werden. Alter allein sollte die Gewährung wirksamer Therapien nicht infrage stellen.
Streecks Überlegung eröffnet einen Diskurs, der weit über konkrete medizinische Fälle hinausreicht. Sie berührt die Grundlagen des solidarischen Gesundheitswesens. Entscheidungen über notwendige Behandlungen müssen auf Evidenz und verfassungsrechtlich gesicherter Menschenwürde beruhen – nicht auf Kostenerwägungen, die das Lebensalter zum leitenden Kriterium machen.


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