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Ligier Richier in Saint Mihiel – Renaissance jenseits Italiens
Eine Reise nach Saint Mihiel
Ich komme in Saint Mihiel an, einer kleinen Stadt an der Maas, ruhig, beinahe zurückhaltend. Nichts hier drängt sich auf. Gerade deshalb ist dieser Ort so geeignet für das, was ihn kunsthistorisch bedeutend macht. Saint Mihiel war im 16. Jahrhundert ein kulturelles Zentrum Lothringens, kein Provinznest, sondern ein geistliches und wirtschaftliches Scharnier zwischen Frankreich, dem Reich und Burgund. Die Nähe zu Handelswegen und Klöstern begünstigte Aufträge, Stiftungen, Bildwerke.
Die Kirche, für die Ligier Richier arbeitete, steht nicht monumental im Sinne einer Kathedrale. Sie wirkt geschlossen, gesammelt, fast streng. Innen herrscht eine Atmosphäre, die weniger auf Glanz als auf Konzentration zielt. Das ist wichtig, denn Richiers Skulpturen sind für den Nahbereich gedacht, für das langsame Umgehen, das genaue Hinsehen. Sie entfalten sich nicht aus der Ferne, sondern im stillen Blick.
Ligier Richier stammt aus Saint Mihiel. Um 1500 hier geboren, blieb er der Region zeitlebens verbunden. Er war kein wandernder Künstler im italienischen Sinn, sondern ein Bildhauer mit festem regionalem Wirkungskreis. Dennoch war er kein Provinzmeister. Als Hofbildhauer der Herzöge von Lothringen arbeitete er auf höchstem Niveau. Seine Kenntnis der Anatomie, seine Fähigkeit, Bewegung und Gewicht im Stein sichtbar zu machen, zeigen eine künstlerische Reife, die mit den großen Namen seiner Zeit problemlos mithalten kann.
Die Pâmoison de la Vierge begegnet mir nicht als frommes Objekt, sondern als Erfahrung. Maria ist nicht idealisiert, nicht entrückt. Ihr Körper bricht zusammen. Das Gewicht zieht sie nach vorn, die Knie versagen, der Oberkörper sinkt. Nichts an dieser Figur ist symbolisch im engeren Sinne, alles ist körperlich. Man spürt förmlich den Moment, in dem die Kraft nachlässt.
Dieses Werk erklärt sich nicht über Theologie allein. Es erklärt sich über den Körper. Richier zwingt den Betrachter, den physischen Zusammenbruch wahrzunehmen. Die Ohnmacht ist nicht dekorativ, sie ist nicht allegorisch. Sie ist real. Gerade das machte solche Darstellungen im 16. Jahrhundert umstritten. Maria erscheint hier als leidender Mensch, nicht als unerschütterliche Heilsgestalt.
Dass Saint Mihiel manchmal als „kleines Florenz Lothringens“ bezeichnet wird, ist kein leerer Werbespruch. Gemeint ist nicht Größe oder Pracht, sondern künstlerische Dichte. An einem unscheinbaren Ort entstand hier ein Werk, das zeigt, wie eigenständig die Renaissance nördlich der Alpen war. Keine bloße Nachahmung Italiens, sondern eine andere Antwort auf dieselben Fragen nach Menschlichkeit, Leid und Darstellung.
Als ich den Raum verlasse, bleibt kein Eindruck von Erhabenheit zurück, sondern von Nähe. Dieses Werk will nichts erklären. Es will gesehen werden. Und gerade deshalb wirkt es noch heute so unmittelbar.
Historische Stadt an der Maas in Lothringen.
Bedeutendes Zentrum der Renaissance nördlich der Alpen.
Wirkungsort des Bildhauers Ligier Richier
Standort der Abteikirche Saint-Michel.
Ab dem 16. Jahrhundert kulturelles Zentrum Lothringens.
Hier entstand die Pâmoison de la Vierge (um 1530).
Ligier Richier, Hofbildhauer der Herzöge von Lothringen.
Skulptur zwischen spätgotischer Expressivität und Renaissance-Naturalismus.
Geboren um 1500 in Saint-Mihiel, gestorben 1567.
Bedeutendster Bildhauer der lothringischen Renaissance.
Hofbildhauer der Herzöge von Lothringen.
Bekannt für radikalen Naturalismus und körperliche Präsenz im Stein.




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Markus Lüpertz Porträtkarikatur






















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