Lesen verweigert

Ein kleiner Nachruf auf den SPIEGEL

Louis de la SARRE Siegel

✍️ Louis de la SARRE

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Autor, Herausgeber und geistiger Architekt von La Dernière Cartouche. Ich schreibe an der Schnittstelle von Politik, Geschichte und Medienkritik – analytisch, meinungsstark, unabhängig. Mein Fokus liegt auf europäischen Fragen, vergessenen Perspektiven und der Rehabilitierung des gesunden Menschenverstands im Zeitalter der ideologischen Nebelwerfer. La Dernière Cartouche ist kein Nachrichtenportal, sondern ein Ort für Klartext, Tiefenschärfe und intellektuelle Gegenwehr.

📂 Rubrik: Politik & Geschichte
🗓️ Veröffentlichung: 28. April 2025
📰 Medium: La Dernière Cartouche
SPIEGEL KULTUR Interview mit dem ABBA Sänger BJÖRN ULAEUS
DER SPIEGEL hat es offenbar für notwendig empfunden, den schwedischen Popstar (ABBA) zur Lage in Europa zu befragen

Es gab eine Zeit, da war der SPIEGEL mehr als ein Magazin. Mein Pate, Direktor einer Verpackungsfabrik im Saarland, strenger Katholik, Vorsitzender des Kirchenchors und überzeugter CDU-Wähler, hatte ihn im Abonnement. In jenen Jahren galt der SPIEGEL als linkes Kampfblatt, als Sprachrohr der Sozis – besonders in den Augen von CDU und CSU, die ihm spätestens seit der Strauß-Affäre mit unverhohlener Feindseligkeit begegneten. Doch mein Pate, ein kluger, eigenständig denkender Mann, ließ sich davon nicht beirren.

Er hielt dem Magazin die Treue, nicht weil es seine politische Überzeugung spiegelte, sondern weil er darin etwas Wertvolleres sah: ein wachsames Kontrollorgan gegenüber der Regierung, eine unbequeme Stimme der Opposition, selbst dann – oder gerade dann –, wenn sie von der eigenen Partei ungern gehört wurde. Anfang der Siebziger, als er beim Aufräumen seine alte Sammlung entsorgen wollte, stand ich daneben – und konnte nicht fassen, dass diese Schätze einfach verschwinden sollten. Kistenweise habe ich die Ausgaben an mich genommen, gehütet wie andere ihre Briefmarkenalben. Ich habe gelesen, verschlungen, gelernt.

Es waren viele Hefte, randvoll mit Berichten, die mehr waren als Nachrichten: Sie waren Fenster in eine Wirklichkeit, die anders war als das, was Schule und Fernsehen zu erzählen wagten.
An die Ausgabe zur Spiegelaffäre von 1962 erinnere ich mich noch heute lebhaft – nicht als ferne Anekdote, sondern als einen lebendigen Moment der Geschichte.


Damals war der SPIEGEL ein Symbol des Widerstands gegen obrigkeitliche Willkür, ein Triumph der freien Presse über die Anmaßung der Macht.
Er diente nicht nur der Information; er war Grundlage politischer Bildung, ein stiller Aufruf an alle, die nicht bereit waren, sich mit Halbwahrheiten abspeisen zu lassen.
Für mich wurde er zum stillen Lehrer – und zugleich zum Motivator, den Beruf des Journalisten nicht nur zu bewundern, sondern zu begreifen: als Wächter, als Mahner, als Verteidiger der Öffentlichkeit gegen ihre Verführer.

Damals war der SPIEGEL unbequem, unbestechlich, streitlustig. Manchmal besserwisserisch, gelegentlich überzogen – aber niemals unterwürfig.

Und heute? Heute genügt ein einziges Titelblatt, um den ganzen Niedergang zu begreifen.
Ein ABBA-Sänger.  Ein Friedrich Merz. Eine Schlagzeile, die diesen Merz zur „Hoffnung Europas“ verklärt.

Ich brauche den Artikel nicht zu lesen. Ich verweigere mich.
Denn schon der Anreißer verrät alles:
dass es längst nicht mehr um Aufklärung geht, sondern um Beifall,
dass Journalismus nicht mehr Waffe ist, sondern Accessoire,
dass Distanz zur Macht durch Nähe ersetzt wurde –
Nähe zum Narrativ, Nähe zur gewünschten Erzählung, Nähe zum weichgespülten Zeitgeist.

Wo einst Enthüllungen standen, stehen heute weichgezeichnete Meinungen. Wo früher unbequem gedacht wurde, wird heute bequem verkauft.
Und so ist der SPIEGEL, dieser ehemalige Fels der vierten Gewalt, nur noch ein hohles Echo seiner selbst: Ein Magazin, das sich selbst beklatscht, während es längst nichts Bedeutendes mehr zu sagen hat.

Wer sich heute den SPIEGEL kauft, kauft kein Fenster zur Welt mehr. Er kauft ein Zerrbild – gerahmt als Wahrheit, das nur noch sich selbst bewundert.

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