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Am Rand des Imperiums

Etienne Valbreton Sceau de Presse

✍️ Etienne Valbreton

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Geboren 1978 in Lyon, studierte Philosophie, Literatur- und Medientheorie in Straßburg, Weimar und Montréal. Lehrte an verschiedenen Kunsthochschulen, bevor er sich ganz dem Schreiben zuwandte. Liebt den Geruch alter Buchdeckel, das Geräusch von Rolltreppen in stillen Bahnhöfen und die Lücken zwischen Gebäuden. Spricht selten – aber wenn, dann wie ein Nachsatz von Roland Barthes.

📂 Rubrique : Politik & Geschichte
🗓️ Publication : 08. Mai 2025
📰 Média : La Dernière Cartouche
DONALD TRUMP NERO

Ein Essay von Étienne Valbreton

Donald J. Trump ist im Jahr 2025 erneut Präsident der Vereinigten Staaten. Nach all den Lügen, Prozessen, Aufständen und beispiellosen Angriffen auf demokratische Institutionen wurde er wiedergewählt. Oder genauer: Er wurde nicht aufgehalten. Weder vom System. Noch von seinen Gegnern. Noch von einer Welt, die sich daran gewöhnt hat, dass das Absurde regiert, solange es Einschaltquoten bringt.

Diese Präsidentschaft markiert den Eintritt der Demokratie in eine Phase postdemokratischer Inszenierung. Es zählt nicht mehr, was gesagt wird, sondern wie es klingt. Nicht mehr, was geschieht, sondern wie es verkauft wird.

Trump ist keine Abweichung. Er ist die sichtbare Spitze eines Systems, das gelernt hat, mit der Störung zu leben – ja, sich von ihr zu ernähren. Während er vorne die Mikrofone bespielt, Tweets wie Granaten schleudert und seine Wiederwahl als monumentale Rache inszeniert, läuft der Staatsapparat im Hintergrund auf Hochtouren.

Seine Anhänger feiern ihn als Bezwinger des „Deep State“. Doch was tut er wirklich? Er blockiert Genderprogramme, streicht Budgets, führt einen Kulturkampf – während sich just jener tiefe Staat, den er beschwört, weiter festigt. Nicht als dunkles Komplott, sondern über die sichtbare Erosion von Rechten, Verfahren und Rechtssicherheit. Die Institutionen werden politisiert, die Justiz eingeschüchtert, der Staatsapparat auf Loyalität umgestellt. Was hier entsteht, ist keine Befreiung, sondern die kalt optimierte Form eines autoritären Verwaltungsmodells – bejubelt von denen, die darin eine Revolution wähnen.

Im April 2025 unterzeichnen die USA und die Ukraine ein Rohstoffabkommen, das amerikanischen Unternehmen privilegierten Zugang zu Aluminium, Grafit, Titan und Gas verschafft. Gleichzeitig werden die Waffenlieferungen an Israel intensiviert. Trump erklärt, Grönland sei strategisches US-Territorium, das notfalls militärisch „gesichert“ werden müsse. Er schlägt vor, Gaza in eine „Riviera des Nahen Ostens“ zu verwandeln – mit Golfplätzen, Jachthäfen, Hochhaushotels. Millionen Bewohner müssten weichen. Es ist kein Versprecher. Es ist ein Projekt.

Gleichzeitig sichern sich US-Konzerne neue Offshore-Förderrechte im Golf von Mexiko. In Panama erweitern bilaterale Abkommen diskret die US-Einflusszonen. Und während außen das Terrain neu verteilt wird, wird innen gesäubert: Zehntausende werden abgeschoben, darunter integrierte Familien, junge Menschen ohne Papiere. Das Weiße Haus spricht von „Säuberung“. Die Verwaltung schweigt.

Große Wahlrechtsänderungen schließen systematisch bestimmte Gruppen vom Wählen aus. Minderheiten, Junge, Prekäre – ausgeschlossen. Wahlkreise werden neu geschnitten, Wahlaufsicht entlassen, Einsprüche als „Sabotage“ diskreditiert. Gesetzesbrüche? Nicht behoben. Fakten? Durch Menschen ersetzt.

Europa sieht. Europa weiß. Und lächelt. Man zeigt Ausschnitte in Talkshows, kommentiert Trumps Aussetzer mit ironischer Distanz. In den Ministerien hallt ein gedämpftes Lachen, das der Hilflosigkeit entspringt. Man spürt das Entgleisen. Und sagt: „Wir müssen realistisch bleiben.“

Dass Imperien groteske Herrscher dulden, ist nichts Neues. Nero spielte Lyra, während Rom brannte. Caligula machte sein Pferd zum Konsul. Die römische Republik fiel nicht durch äußeren Feind, sondern durch innere Prinzipienmüdigkeit. Auch dort folgten gebildete Männer einem launischen Tyrannen. Nicht aus Unkenntnis. Sondern weil sie zu viel zu verlieren hatten. Vielleicht auch, weil sie heimlich bewunderten, was sie verachteten.

Trump ist die Farce nach der Tragödie. Ein Cäsar ohne Latein, aber mit Twitter. Kein klassischer Tyrann, sondern ein Medienprodukt, das Macht wurde. Er regiert nicht durch Idee, sondern durch Effekt. Nicht durch Prinzip, sondern durch Zugehörigkeit.

Ist überhaupt noch entscheidend, wer regiert? Oder geht es darum, was sich hinter ihm aufbaut? Ein neues Amerika: technokratisch, extraktivistisch, militärisch gesichert, das von der Demokratie nur noch die Verpackung trägt?

Und Europa? Wird es folgen, imitieren, aus Überlebensreflex? Oder gibt es noch eine andere Möglichkeit: ein Rest von Gedächtnis, von Urteilskraft, von Haltung? Die EU präsentiert sich als Raum der Menschenrechte. Aber was ist das wert, wenn sie weitergeht, mit halb geschlossenen Augen, während gegenüber eine neue Rom gebaut wird?

Europa müsste sich erinnern. An Camus, der sagte, Freiheit bedeute Verantwortung. An Simone Weil, für die Widerstand Ethik war. An Kant, der den Menschen nie als Mittel verstanden wissen wollte. An Rousseau, der wusste, dass das Volk sich verirren kann, aber nicht irrt. An Arendt, die im Gewöhnlichen das Gefährlichste sah. An Hegel, der im Zerfall den Beginn einer neuen Vernunft erkannte.

Vielleicht ist diese silberne Linie europäischen Denkens das letzte Gegengewicht: Denken als Pflicht. Urteil als Mut. Wahrheit als Dringlichkeit.

Es geht nicht um eine Person. Sondern um einen Zustand. Eine westliche Welt, die sich für ihre Ursprünge schämt, aber keine neuen wagt. Die Frage, ob Amerika sich erneuern kann, führt zur wahren Frage: Kann ein Imperium sich selbst reformieren? Oder braucht es den Einsturz, das Feuer, den Zusammenbruch der Fassade, um sich neu zu finden?

Amerika wird nicht leiser. Es wird brutaler. Was entsteht, ist kein offenes Modell, sondern ein Kontrollzentrum mit Fahne. Keine Verhandlung, sondern Befehl. Kein Recht, sondern Zugriff. Die sogenannten Verträge mit der Ukraine, mit Panama, mit Regionalregierungen sind keine Partnerschaften – es sind erzwungene Kontrakte. Knebelabkommen im Stil des Wilden Westens: unter Druck, unter Drohung, in der Logik der Sieger, nicht der Verbündeten.

Trump spricht nicht von Zusammenarbeit. Er spricht von Aneignung. Grönland als Stützpunkt, Gaza als amerikanisierte Freizeitzone, Mexiko als Abschiebezentrale, Kanada als Vorhof, Panama als Durchgangsachse. Wer hier noch Diplomatie vermutet, verkennt: Das ist nicht Dialog, das ist Expansion.

Würde Putin solche Worte wählen, spräche man vom Weltkrieg. Trump spricht sie aus – und die Welt lächelt verlegen in ihre Kameras.

Was bleibt? Kein Trost, kein Rückzug. Nur Haltung. Entweder man stellt sich quer – oder man wird Teil des Pfades, den dieser Staat sich nimmt. Schweigen ist kein Schutz. Es ist Zustimmung im Takt der Maschinen.

Die zweite Trump-Präsidentschaft ist kein Versehen. Sie ist Produkt kollektiven Wegschauens, politischer Feigheit, einer Mediendemokratie ohne Moral. Solange der Wahnsinn mit roter Kappe die Bühne hält, klatschen zu viele. Nicht aus Unwissen. Sondern aus Hoffnung, dass jemand anderes handelt.

Die Frage ist nicht mehr: Wer? Sondern: Wann begreifen wir, dass es keinen Einzelnen braucht, sondern viele, die nicht mehr warten. Kein Held. Kein Messias. Kein starker Mann. Sondern ein Netz aus klaren Köpfen, festen Rückgraden, konsequentem Nein.

Keine Vision. Handlung. Keine Erlösung. Entschluss. Und vielleicht ist genau das der Anfang: Nicht weil er gefeiert wird. Sondern weil er notwendig ist.

Albert Camus

Zitierte Aussage: „Freiheit bedeute Verantwortung.“
Originalzitat: „Die Freiheit besteht in erster Linie nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten.“

Simone Weil

Zitierte Aussage: „Widerstand sei Ethik.“
Originalzitat: „Die Wirklichkeit des Lebens besteht nicht aus Gefühl, sondern aus Aktivität.“

Hannah Arendt

Zitierte Aussage: „Das Böse sei im Gewöhnlichen zu finden.“
Originalzitat: „Die traurige Wahrheit ist, dass das meiste Böse von Menschen getan wird, die sich nie entschieden haben, gut oder böse zu sein.“

Immanuel Kant

Zitierte Aussage: „Der Mensch solle nie als Mittel verstanden werden.“
Originalzitat: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“

Albertine Charlotte Berger„Eine gute Übersetzung erkennt man nicht daran, dass sie getreu ist – sondern daran, dass sie den Leser heimlich zum Original zurückträumen lässt.“

– Albertine Charlotte Berger

Warum wir so übersetzen

Wir übersetzen nicht nur Worte – wir übersetzen Perspektiven.
Denn was ein französischer Autor schreibt, ist selten bloß Information. Es ist Bildsprache, kulturelle Prägung, manchmal auch kollektive Erinnerung. Im Deutschen lesen wir dieselben Worte – aber oft mit anderen Augen, anderen Erwartungen, anderen Bildern im Kopf.
Deshalb kommentieren wir nicht, um zu belehren – sondern um sichtbar zu machen, was sprachlich mitschwingt.
Nicht das, was ein deutscher Leser verstehen könnte, ist für uns entscheidend – sondern das, was er wahrscheinlich versteht.
Genau darin liegt die Verantwortung jeder Übersetzung, die nicht nur überträgt, sondern auch vermittelt.

Französisches OriginalDeutsche ÜbersetzungKommentar (linguistisch-literarisch)
Ce n’est pas un lapsus. C’est un projet.Es ist kein Versprecher. Es ist ein Projekt.Die knappe, lapidare Form bleibt in beiden Sprachen gleich – doch während „projet“ im Französischen strategisch, bedrohlich klingt, hat das deutsche „Projekt“ einen sachlichen, beinahe harmlosen Unterton. Die Ironie des Originals wird im Deutschen rationalisiert.
Il ne s’agit pas d’un homme. Mais d’un état.Es geht nicht um eine Person. Sondern um einen Zustand.Das französische „état“ oszilliert zwischen „Zustand“ und „Staat“ – diese Doppeldeutigkeit ist Teil des Aussagewerts. Im Deutschen bleibt nur die psychologisch-systemische Deutung übrig. Die politische Dimension wird sprachlich abgeschwächt.
L’Europe voit. L’Europe sait. Et elle sourit.Europa sieht. Europa weiß. Und lächelt.Die französische Dreigliederung wirkt wie ein Protokollsatz – kalt und distanziert. Im Deutschen entsteht durch die Betonung auf „Und lächelt“ eine leichte ironische Hebung. Der Text bleibt formal gleich, aber der literarische Unterton verschiebt sich von distanziert zu bitter.
Französisches OriginalDeutsche ÜbersetzungKommentar (Bildsprache & Metaphern)
Tant que la folie coiffée de rouge tient la scène…Solange der Wahnsinn mit roter Kappe die Bühne hält…„Coiffée de rouge“ evoziert ein historisches Figurenbild: Der Wahnsinn tritt auf wie ein höfischer Narr oder ein grotesker Kaiser. Die deutsche Version macht es sichtbar („rote Kappe“), aber nimmt dem Ausdruck seine kulturelle Mehrdeutigkeit. Das Bild schrumpft zum Accessoire.
Cette ligne argentée de pensée européenne……diese silberne Linie europäischen Denkens…„Ligne argentée“ ist ein leuchtendes, poetisches Bild – nicht Linie als Struktur, sondern als Faden, als Reflex. Die deutsche Fassung wird funktional: Die Bewegung, das Schimmern, das Risiko des Reißens verschwinden. Was bleibt, ist ein abstrakter Begriff ohne stoffliche Tiefe.
Un empire sans masque……ein Imperium ohne Maske…Im Französischen ruft „masque“ ein politisches Theater herauf – das Imperium spielt nicht mehr, es zeigt sein Gesicht. Im Deutschen bleibt das Bild wörtlich, aber isoliert. Es wirkt wie ein Slogan, nicht wie ein Bild mit Bühne, Kulisse, Verrat. Die gesellschaftliche Metapher verdunstet. Auch wenn „Un empire sans masque“ und „ein Imperium ohne Maske“ formal identisch erscheinen, weichen ihre kulturellen Konnotationen deutlich voneinander ab.
Im Französischen verweist „masque“ unweigerlich auf politische Inszenierung – auf Theater, Herrschaftsrituale, symbolische Entblößung. Im Deutschen fehlt dieser Reflex: Das Bild steht isoliert und verliert seine dramatische Bühne.
Was im Original wie ein Akt der Entlarvung wirkt, kommt in der Übersetzung oft nur als nüchterner Slogan an.
Französisches OriginalDeutsche ÜbersetzungKommentar (Syntax & Rhythmus)
Il ne reste pas le réconfort, ni la fuite. Il reste la posture.Was bleibt? Kein Trost, kein Rückzug. Nur Haltung.Das Französische folgt einer kühlen, formelhaften Reihung – fast wie ein abschließender Protokollsatz. Die deutsche Übersetzung durchbricht das durch die Frage „Was bleibt?“ und erzeugt damit einen inneren Taktwechsel: Von nüchterner Analyse zu existenzieller Aufforderung.
Pas un héros. Pas un messie. Pas un homme fort. Mais un réseau.Kein Held. Kein Messias. Kein starker Mann. Sondern ein Netzwerk.Die französische Struktur ist ritualisiert – fast religiös (Anapher). Der deutsche Text übernimmt das Muster, aber „Sondern“ markiert eine strategische Zäsur: Es kündigt nicht nur ein Gegenmodell an, sondern **zerreißt** die Wiederholung und zwingt zur Reaktion.
L’Europe voit. L’Europe sait. Et elle sourit.Europa sieht. Europa weiß. Und lächelt.Die französische Dreigliederung entfaltet eine stoische Kälte. Im Deutschen kippt der Ton durch das abschließende „Und lächelt“ leicht ins Zynische – rhythmisch hebt sich der letzte Satzteil leicht an, was die Ironie spürbar macht. Der Effekt: Beobachtung wird zur stillen Anklage.
Französisches OriginalDeutsche ÜbersetzungKommentar (kultureller & symbolischer Gehalt)
Un César sans latin mais avec un compte Twitter.Ein Cäsar ohne Latein, aber mit Twitter.„César sans latin“ evoziert klassische Dekadenz – Bildung ohne Inhalt, Macht ohne Tiefe. „Latein“ steht für zivilisatorische Autorität. Im Deutschen bleibt das Bild erhalten, verliert aber Nuancen. „Mit Twitter“ ist treffend, aber banaler – es verschiebt die Aussage von imperialem Zynismus zu Social-Media-Satire.
Cette ligne argentée de pensée européenne……diese silberne Linie europäischen Denkens…Das Original evoziert ein poetisch-fragiles Bild von geistiger Kontinuität – fast alchemistisch. Im Deutschen wird das Bild sachlich. „Des Denkens“ konkretisiert, aber entzaubert. Es fehlt das Schimmern, das Flüchtige, das im Französischen zwischen den Zeilen steht.
Il est temps pour l’Europe de se souvenir.Europa müsste sich erinnern.Der französische Satz klingt wie ein Schwur oder republikanischer Appell. „Il est temps“ trägt Pathos, „se souvenir“ evoziert nationale Gedächtnispolitik. Der Konjunktiv „müsste“ schwächt im Deutschen alles ab. Aus einer historischen Dringlichkeit wird ein nachdenklicher Hinweis.
L’Amérique ne s’éteint pas. Elle s’arme.Amerika wird nicht leiser. Es wird brutaler.„S’éteindre“ (verlöschen) steht für Zivilisationsende – Licht, das ausgeht. „S’arme“ (bewaffnet sich) ist aktiv, politisch, militärisch. Die deutsche Übersetzung wählt „brutaler“ – ein unspezifischer, psychologischer Begriff. Die symbolische Dialektik von Ende und Gewalt fehlt.
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