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🧭 ZĂŒndschnĂŒre Europas

Alaric Penroses Lagebild im FrĂŒhling 2025

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Anmerkung der von der Redaktion: zum Leitartikel des Monats April 2025

Letartikel des Monats

Leitartikel des Monats

15. April 2025

In einer Zeit, in der die geopolitische Landkarte Europas zunehmend von Unsicherheiten und Spannungen durchzogen wird, zeichnet Sir Alaric Penrose ein prĂ€zises Lagebild. Der FrĂŒhling 2025 bringt keine plötzlichen ErschĂŒtterungen, keine lauten PaukenschlĂ€ge, aber er legt Risse offen, die tief in die Fundamente des europĂ€ischen SelbstverstĂ€ndnisses eingreifen. Im Vordergrund stehen nicht nur politische Akteure, sondern auch der Umgang mit Erinnerung und IdentitĂ€t, die zukunftsfĂ€hige Gestaltung Europas sowie die Frage, welche Geopolitischen Strömungen Europa nachhaltig prĂ€gen werden.

Sir Alaric Penrose Siegel

✍ Sir Alaric Penrose

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Analyse, Geopolitik, verdeckte Systeme Alaric Penrose war nie der Mann im Rampenlicht – aber oft derjenige, der das Licht gedimmt oder gelenkt hat. Ausgebildet in London, tĂ€tig fĂŒr diplomatische Missionen in Europa, Afrika und SĂŒdostasien, war er lange Teil jener unsichtbaren Schicht, die sich zwischen Geheimdienst, Diplomatie und strategischer Forschung bewegt. Penrose wirkte in der politischen AufklĂ€rung wĂ€hrend des Kalten Krieges, war spĂ€ter Berater fĂŒr europĂ€ische Sicherheitsfragen – nie offiziell, selten aktenkundig.

📂 Rubrik: Politik & Geschichte
đŸ—“ïž Veröffentlichung: 15. April 2025
📰 Medium: La Derniùre Cartouche

Eine Betrachtung von Sir Alaric Penrose

Europa brennt nicht. Es raucht. Und das genĂŒgt. Denn in den Korridoren der Macht genĂŒgt oft schon ein Hauch von Unruhe, um die Balance zu stören. Der FrĂŒhling 2025 bringt keine plötzlichen Beben, keine PaukenschlĂ€ge – aber er legt Risse offen, die tief verlaufen und gefĂ€hrlich in die Fundamente des europĂ€ischen SelbstverstĂ€ndnisses eingreifen.

In der TĂŒrkei war es ein einziger Name, der genĂŒgte, um das fragile Gleichgewicht aus Fassade und Kontrolle kippen zu lassen. Der BĂŒrgermeister von Istanbul, Ekrem İmamoğlu, wagte, öffentlich PrĂ€sidentschaftsansprĂŒche anzumelden – und wurde prompt entfernt. Nicht durch politischen Diskurs, sondern durch Justiz, Polizei, Drohkulisse. Es war keine Überraschung. Aber es war ein Zeichen. Erdoğan hat den Ton verschĂ€rft, und der Westen hat sich einmal mehr in wohltemperiertes Schweigen geflĂŒchtet.

Auch in Georgien hat man gelernt, dass Demokratie ein biegsames Konzept ist. Wahlen, die zunĂ€chst angekĂŒndigt, dann verschoben und schließlich annulliert wurden, haben weniger mit Technik als mit Taktik zu tun. Es ist der klassische Balanceakt zwischen russischem Druck, westlichen Versprechungen und innerstaatlicher Erosion. Man kennt ihn – und trotzdem bleibt der Eindruck, dass sich hier erneut ein geopolitischer Spielplatz öffnet, auf dem die Spielregeln von außen gemacht werden.

Serbien ringt. Nicht um IdentitĂ€t – die ist lĂ€ngst politisch besetzt – sondern um Richtung. Studentenproteste rufen nach Europa, wĂ€hrend die Regierung mit dem RĂŒcken zu Russland steht. Der Kosovo-Konflikt bleibt ungelöst, bleibt Reizpunkt, bleibt Ventil. Und je lĂ€nger die EU zwischen Ermahnung und Anbiederung schwankt, desto tiefer wĂ€chst der Spalt.

Im Hintergrund wirkt Moskau – nicht laut, aber prĂ€zise. Putins Vorschlag, Teile der Ukraine unter UN-Verwaltung zu stellen, ist kein Friedensangebot. Es ist eine kluge Finte, die auf LegalitĂ€t setzt, um RealitĂ€t zu zementieren. Eine Falle aus Resolutionen und Verfahrenswegen, in deren Innerem sich die Anerkennung vollzieht, ohne je ausgesprochen zu werden. Manche Stimmen – auch in diesem Hause – sehen darin einen diplomatischen Weg. Ich hingegen sehe die Architektur eines Spiels, dessen Ziel nicht Frieden, sondern Stillstand auf russischen Bedingungen ist.

WĂ€hrenddessen sendet Donald Trump, noch in der Lauerstellung, klare Signale. Europa, so lĂ€sst er durchblicken, sei fĂŒr die USA kein vitales Interesse mehr. Die Ukraine? Ein Problem fĂŒr BrĂŒssel. Die NATO? Optional. Sein Plan – ob taktisch oder strategisch – zielt auf eine Neuverhandlung der transatlantischen Beziehungen. Nicht als Bruch, sondern als Preisschild.

Deutschland erlebt derweil eine RegierungslĂŒcke mit System. Merz verhandelt, die SPD laviert, das Land steht still. Und doch wurde gehandelt – durch den alten Bundestag, in aller Stille: Ein Grundgesetz-Update zur Schaffung eines neuen Sondervermögens, hunderte Milliarden schwer, fĂŒr RĂŒstung, Energie und was man sonst unter „Zukunftssicherung“ zu verkaufen vermag. Das neue Parlament wurde umgangen – legal, aber nicht legitim. Parallel dazu wĂ€chst die gesellschaftliche Spannung: Die AfD wird politisch isoliert, juristisch umzingelt, öffentlich geĂ€chtet – mit Methoden, die das System mehr beschĂ€digen könnten als jede Rede im Plenum.

Frankreich taumelt im Protest, Österreich wankt im Konsens, und Europa rĂŒstet auf – nicht nur militĂ€risch, sondern strukturell. Was einst Industriepolitik war, ist heute Verteidigungsstrategie. RĂŒstung als Konjunkturmotor – das hat historische VorlĂ€ufer, aber keine gute Zukunft.

Und ĂŒber all dem liegt ein symbolischer Schatten: Moskau bereitet sich auf die 80. Siegesparade vor – das Gedenken an den 8. Mai 1945. Keine westliche Delegation wird teilnehmen. Die Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs wird ausgelassen – nicht aus Unwissen, sondern aus KalkĂŒl. Die Parade wird als Propaganda etikettiert, nicht weil sie es ist, sondern weil sie von der falschen Seite kommt. Gleichzeitig feiern dieselben Staaten am Atlantikstrand die Landung in der Normandie – als sei Geschichte dort sauberer gestorben. Es ist die neue Asymmetrie der Erinnerung. Und sie wird nicht folgenlos bleiben.

China hĂ€lt sich zurĂŒck, aber es rechnet. Es beobachtet, es unterzeichnet, es verleiht. Es braucht keine Panzer, solange es Zugriff hat – auf Daten, HĂ€fen, Rohstoffe. Der Preis der ZurĂŒckhaltung wird durch stille MachtbegĂŒnstigung bezahlt. Und Europa? Steht im Regen, zwischen vergangenem Glanz und kĂŒnftiger Unklarheit.

Dieser FrĂŒhling ist kein Aufbruch – er ist eine Warnung. Die ZĂŒndschnĂŒre sind gelegt. Manche glimmen bereits.

Erdogans Griff nach Istanbul: Politische Spannungen und ihre Auswirkungen

  • Erdogans politische Entscheidungen und ihre Auswirkungen auf Europa
  • Politische InstabilitĂ€t und westliche Reaktionen

Georgien ohne Wahl: Demokratie im Schatten geopolitischer Interessen

  • Wahlen in Georgien und das Fehlen demokratischer Prozesse
  • Einfluss Russlands und der EU auf Georgien

Putins UN-Vorstoß als strategische Falle: Eine Analyse der russischen Außenpolitik

  • Putins diplomatische Strategien und ihre geopolitischen Implikationen
  • Auswirkungen auf die europĂ€ische Sicherheitsarchitektur

Deutschland ohne Regierung, aber mit Sondervermögen: Ein Blick auf die politische Landschaft

  • Politische InstabilitĂ€t in Deutschland
  • Sondervermögen und die Auswirkungen auf die Gesellschaft und Politik

RĂŒstungsindustrie statt Strukturpolitik: PrioritĂ€ten im europĂ€ischen Haushalt

  • Verschiebung der Haushaltsmittel zugunsten der RĂŒstungsindustrie
  • Langfristige Auswirkungen auf soziale KohĂ€sion und Wohlstand

Moskau 1945 vs. Normandie 2025: Erinnerungskultur und ihre geopolitische Bedeutung

  • Vergleich der Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg
  • Geopolitische Bedeutung der Erinnerungskultur und deren Auswirkungen

Erdogans Griff nach Istanbul: Politische Spannungen und ihre Auswirkungen

In den letzten Jahren hat sich die politische Landschaft in der TĂŒrkei immer wieder gewandelt – und vor allem der Griff von PrĂ€sident Recep Tayyip Erdoğan nach immer mehr Macht bleibt ein zentrales Thema. Der jĂŒngste Vorfall, der das fragile Gleichgewicht zwischen Demokratie und autokratischer Kontrolle ins Wanken brachte, war die Absetzung des Istanbuler BĂŒrgermeisters Ekrem İmamoğlu. İmamoğlu, der in den letzten Jahren zu einem bedeutenden politischen Gegenspieler Erdoğans aufstieg, hatte öffentlich seine PrĂ€sidentschaftsansprĂŒche formuliert und stellte sich damit der politischen Agenda des PrĂ€sidenten entgegen.

Die Absetzung von İmamoğlu ist ein weiteres Zeichen fĂŒr den zunehmend autoritĂ€ren Kurs Erdoğans. Der BĂŒrgermeister von Istanbul wurde nicht durch die ĂŒblichen politischen Mechanismen wie Wahlen oder politische Debatten entfernt, sondern durch die Justiz und die Polizei. Erdoğan setzte seine Macht instrumental ein, um den politisch aufstrebenden İmamoğlu aus der Schusslinie zu nehmen. Dies fĂŒhrte zu landesweiten Protesten, die von der Regierung mit einer Mischung aus Strafverfolgung und Repressionsmaßnahmen beantwortet wurden. Was zu erwarten war, wurde zur RealitĂ€t: Erdoğan, der seine Macht bereits in den letzten Jahren durch die Umgestaltung des politischen Systems und durch eine Vielzahl von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen konsolidiert hatte, stellte klar, dass der politische Preis fĂŒr die Herausforderung seiner Macht immer hoch sein wĂŒrde.

Politische InstabilitÀt und westliche Reaktionen

Dieser Vorfall und Ă€hnliche Ereignisse werfen die Frage auf, wie der Westen, insbesondere die EU und die USA, auf die zunehmende politische InstabilitĂ€t in der TĂŒrkei reagieren werden. Bisher ist die Reaktion der westlichen MĂ€chte auf Erdoğans autoritĂ€re Tendenzen eher zurĂŒckhaltend geblieben. Ein vorherrschendes Muster ist das sogenannte „wohltemperierte Schweigen“. WĂ€hrend die TĂŒrkei als wichtiger geopolitischer Akteur, insbesondere in Bezug auf die FlĂŒchtlingspolitik und ihre strategische Lage im Nahen Osten, unverĂ€ndert von Bedeutung fĂŒr den Westen bleibt, gibt es nur wenig direkte Kritik an den zunehmend repressiven Maßnahmen Erdoğans.

Die EU und insbesondere Deutschland, das traditionell enge diplomatische Beziehungen zur TĂŒrkei pflegt, haben wenig unternommen, um die Entwicklungen in der TĂŒrkei zu beeinflussen. Zwar gab es immer wieder diplomatische BemĂŒhungen, ein Gleichgewicht zwischen politischen Differenzen und den wirtschaftlichen und militĂ€rischen Beziehungen zu wahren, doch eine klare und standhafte politische Reaktion auf Erdoğans zunehmend autoritĂ€res Regime blieb weitgehend aus.

Insofern stellt sich die Frage, inwieweit die TĂŒrkei weiterhin als verlĂ€sslicher Partner fĂŒr den Westen fungieren kann – sowohl in diplomatischer als auch in sicherheitspolitischer Hinsicht. Der zunehmende Griff nach der Macht von Erdoğan stellt die westliche Diplomatie vor die Herausforderung, wie man mit einem autoritĂ€ren Partner umgeht, der sich immer weiter von den westlichen Demokratiewerten entfernt.

FĂŒr Europa und die EU ist diese Situation nicht nur eine Frage der politischen Beziehungen, sondern auch eine geopolitische Herausforderung. Wenn Erdoğan und die AKP weiterhin auf ihrem Weg der Machterweiterung und Repression beharren, könnte dies nicht nur zu einer weiteren VerschĂ€rfung der innerpolitischen Lage in der TĂŒrkei fĂŒhren, sondern auch zu einer ZerrĂŒttung der Beziehung zwischen der TĂŒrkei und Europa. Es bleibt abzuwarten, wie der Westen mit dieser wachsenden InstabilitĂ€t umgehen wird und welche Konsequenzen diese Entwicklung fĂŒr die geopolitischen Allianzen in der Region haben könnte.

  • Erdogans autoritĂ€rer Kurs und der Fall İmamoğlu sind Symbole fĂŒr die zunehmende politische InstabilitĂ€t in der TĂŒrkei.
  • Westliche Reaktionen, insbesondere aus der EU und den USA, bleiben vage und zurĂŒckhaltend.
  • Die TĂŒrkei bleibt ein geopolitischer SchlĂŒsselakteur, dessen Beziehung zu Europa weiterhin von strategischer Bedeutung ist.

Georgien ohne Wahl:

Demokratie im Schatten geopolitischer Interessen

Georgien, das im SĂŒdkaukasus gelegene Land, das seit dem Zerfall der Sowjetunion immer wieder zwischen westlichen und russischen EinflusssphĂ€ren hin- und hergerissen wurde, steht erneut im Fokus geopolitischer Spannungen. Die anstehenden Wahlen, die als SchlĂŒsselereignis fĂŒr die demokratische Zukunft des Landes galten, wurden ausgesetzt, verschoben und schließlich annulliert. Was als technisches Problem begann, hat sich zunehmend als politisches KalkĂŒl herausgestellt – ein klares Zeichen, dass Demokratie in Georgien nach wie vor als flexibel zu handhabendes Konzept gilt.

Die georgische Regierung hat sich wiederholt gegen den Druck aus BrĂŒssel und Washington gewehrt, dem Land die Möglichkeit zu geben, den westlichen Kurs weiter zu verfolgen. Die PrĂ€senz von russischen Truppen in den abtrĂŒnnigen Regionen SĂŒdossetien und Abchasien, die 2008 nach dem Krieg mit Georgien weitgehend unter russischer Kontrolle stehen, bleibt ein stĂ€ndiger geopolitischer Zankapfel. Gleichzeitig sieht sich Georgien gezwungen, die Versprechen des Westens und die eigene Bevölkerung nicht völlig zu enttĂ€uschen, was eine schwierige Balanceakt bedeutet.

Geopolitische Spannungen im SĂŒdkaukasus und die Rolle der EU

Die Annullierung der Wahlen ist ein weiteres Beispiel fĂŒr die schleichende Aushöhlung der Demokratie in Georgien, das offiziell als westlich orientierter Staat gilt. Doch was auf den ersten Blick wie ein internes Problem aussieht, hat tiefgreifende geopolitische Implikationen. Die Entscheidung der georgischen Regierung, die Wahlen zu verschieben, könnte als Versuch interpretiert werden, die wachsenden Spannungen mit Russland zu vermeiden und gleichzeitig die Beziehungen zu den westlichen Partnern zu wahren. Russland, das Georgien als seinen traditionellen Einflussbereich betrachtet, hat ein starkes Interesse daran, Georgien von der EU und der NATO fernzuhalten. Gleichzeitig bemĂŒht sich die westliche Welt, Georgien in die EU und die NATO zu integrieren, was zu einer immer grĂ¶ĂŸeren politischen Isolation des Landes fĂŒhrt.

Georgisches Parlament
  • Die Verschiebung und Annullierung der Wahlen in Georgien zeigt das Fehlen von echter Demokratie und die geopolitischen Manipulationen im Land.
  • Georgien bleibt zwischen den geopolitischen Interessen Russlands und der westlichen Ambitionen gefangen.
  • Die politische InstabilitĂ€t und der Mangel an Demokratie gefĂ€hrden langfristig die Entwicklung Georgiens und die GlaubwĂŒrdigkeit als demokratischer Staat.

Georgien befindet sich in einem immer engeren Raum zwischen den politischen AnsprĂŒchen der EU und der NATO auf der einen Seite und der geopolitischen Realpolitik Russlands auf der anderen Seite. Ein solcher Kurs hat zur Folge, dass die demokratischen Prozesse zunehmend von außen bestimmt werden – sei es durch die geopolitische Agenda des Kremls oder durch die westlichen Vorstellungen von einem idealisierten, demokratischen Georgien.

Das Fehlen eines klaren politischen Kurses

Die Unsicherheit ĂŒber die Zukunft Georgiens wird auch durch die zunehmende politische InstabilitĂ€t und die Missachtung der Grundrechte von oppositionellen Parteien und der Zivilgesellschaft verstĂ€rkt. Der Westen hat Georgien weiterhin als Modell fĂŒr post-sowjetische Demokratie prĂ€sentiert, aber das politische System im Land bleibt fragil. Die Wahlen sind die wichtigsten Mechanismen, durch die BĂŒrger ihre politische Vertretung wĂ€hlen, doch die wiederholte Verschiebung dieser Wahlen untergrĂ€bt das Vertrauen der Bevölkerung in die demokratischen Institutionen. In einer Region, die von politischen Spannungen, ethnischen Konflikten und militĂ€rischen Auseinandersetzungen geprĂ€gt ist, könnte das Fehlen demokratischer Prozesse fatale Folgen fĂŒr die zukĂŒnftige Entwicklung Georgiens haben.

Die geopolitische Situation Georgiens – an der Grenze zwischen Russland und dem Westen – macht es zu einem geopolitischen Spielball. Diese Situation hat direkte Auswirkungen auf die politische StabilitĂ€t des Landes und dessen FĂ€higkeit, die Demokratie weiterzuentwickeln. Auch wenn Georgien als Modell fĂŒr den „demokratischen Osten“ angesehen wird, ist es offensichtlich, dass die politischen RealitĂ€ten des Landes die Ideale eines westlichen DemokratieverstĂ€ndnisses ĂŒberlagern.

Putins UN-Vorstoß als strategische Falle:

Eine Analyse der russischen Außenpolitik

Inmitten des geopolitischen Schachspiels, das Europa und die Weltgemeinschaft derzeit beschĂ€ftigt, hat Russland mit einem scheinbar harmlosen Vorstoß in den Vereinten Nationen (UN) erneut seinen strategischen Einfluss geltend gemacht. Putins Vorschlag, Teile der Ukraine unter UN-Verwaltung zu stellen, wurde von vielen als ein diplomatischer Schritt interpretiert – als ein Versuch, den Frieden zu fördern. Doch bei nĂ€herer Betrachtung offenbart sich eine viel tiefere Agenda: Es geht nicht um den Frieden, sondern um die Festigung von Macht und die Schaffung eines de facto Status quo, der ohne offizielle Anerkennung von der internationalen Gemeinschaft akzeptiert wird.

UNO-Verwaltung und der Reflex des Westens -Warum Verhandlungen kein Verrat sind von Pierre Marchand

UNO-Verwaltung und der Reflex des Westens -Warum Verhandlungen kein Verrat sind von Pierre Marchand

Der Vorschlag, die Gebiete unter UN-Verwaltung zu stellen, ist ein diplomatisch durchdachter Schritt, der weniger den konkreten Ziel eines Friedensabkommens verfolgt, sondern vielmehr als strategische Falle dient. Eine Resolution dieser Art könnte Russland ermöglichen, GebietsansprĂŒche zu legitimieren, ohne die internationale Gemeinschaft direkt herauszufordern. Die LegalitĂ€t der UN könnte als Instrument zur BestĂ€tigung einer neuen RealitĂ€t dienen, wĂ€hrend der eigentliche geopolitische Effekt nicht im RĂŒckzug, sondern in der faktischen Anerkennung der russischen Macht in der Region liegt.

Die russische Taktik: LegalitÀt statt Gewalt

In der russischen Außenpolitik hat sich eine neue Strategie durchgesetzt, die weniger auf direkte militĂ€rische Konfrontation setzt, sondern vielmehr auf die Schaffung von Fakten durch diplomatische und juristische Mittel. Der Vorstoß, Teile der Ukraine unter UN-Verwaltung zu stellen, könnte als ein Versuch interpretiert werden, die internationale Gemeinschaft in eine passive Rolle zu drĂ€ngen. Anstatt einen direkten Bruch mit dem Westen zu riskieren, könnte Russland durch solche Manöver eine Situation schaffen, in der die westliche Welt faktisch gezwungen wird, die RealitĂ€t auf dem Boden zu akzeptieren – selbst ohne eine explizite Anerkennung der russischen Annexionen.

Diese Strategie hat in der Vergangenheit bereits in anderen Konflikten ihre Wirksamkeit gezeigt: Die geopolitische RealitĂ€t wird durch internationale Institutionen wie die UN so weit legitimiert, dass der Widerstand zunehmend symbolisch wird. Putins Ziel ist es, eine geopolitische VerĂ€nderung zu erreichen, die nicht sofort sichtbar, aber langfristig irreversibel wird. Der diplomatische Vorstoß auf UN-Ebene ist also nicht nur eine bloße Friedensofferte, sondern ein langfristiger Versuch, das bestehende MachtgefĂŒge zu verschieben, ohne dass der Westen unmittelbar eingreifen kann.

Westliche Reaktionen: Die Gefahr der Apathie

Die Reaktionen auf den UN-Vorstoß Russlands sind bislang vorsichtig und abwartend. Zwar gibt es offizielle Ablehnung seitens der EU und der USA, aber die praktische Umsetzung von Sanktionen oder Gegenmaßnahmen ist bisher ausgeblieben. Der Westen steht angesichts von Putins diplomatischem Schachzug vor einer schwierigen Entscheidung: Sollten sie erneut auf Sanktionen setzen, die Russland ohnehin nur wenig beeintrĂ€chtigen, oder sollten sie in einen offenen Konflikt ĂŒber die rechtliche Anerkennung von GebietsansprĂŒchen eintreten, der zu einer weiteren Eskalation fĂŒhren könnte?

Die Gefahr hierbei ist die Schaffung eines „Schwebezustands“ in der internationalen Politik. Die westlichen Staaten könnten in der Falle tappen, auf symbolische Ablehnung zu setzen, wĂ€hrend sie gleichzeitig die geopolitische RealitĂ€t akzeptieren. Putins Diplomatie könnte langfristig als ein Instrument zur Absicherung von Gebietsgewinnen und zur Stabilisierung von MachtverhĂ€ltnissen dienen – ohne dass der Westen effektiv eingreifen kann.

  • Russlands Vorschlag, Teile der Ukraine unter UN-Verwaltung zu stellen, ist weniger ein Friedensangebot als eine strategische Falle, um geopolitische Fakten zu schaffen.
  • Diese Diplomatie setzt auf die Schaffung einer neuen RealitĂ€t durch die Legitimation der UN, ohne eine direkte Anerkennung von Annexionen.
  • Der Westen steht vor der schwierigen Aufgabe, angemessen auf diese diplomatischen Manöver zu reagieren, ohne in eine Falle der Apathie oder Symbolpolitik zu geraten.

Deutschland ohne Regierung, aber mit Sondervermögen:

Ein Blick auf die politische Landschaft

Die Einigung zwischen Union und SPD tĂ€uscht nur oberflĂ€chlich ĂŒber die strukturellen SchwĂ€chen hinweg. Friedrich Merz trat an, um Schuldenbremse und Migrationspolitik neu zu ordnen, doch die RealitĂ€t der Verhandlungen zwingt ihn bereits zum RĂŒckzug: Der Koalitionsvertrag trĂ€gt ZĂŒge der GrĂŒnen Handschrift, obwohl sie offiziell nicht mehr Teil der Regierung sind. Der Preis fĂŒr die Zustimmung zur GrundgesetzĂ€nderung ist sichtbar – und schwer.

Zudem hat die SPD eine unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸige Zahl an Ministerien erlangt, was die ohnehin angespannte Balance weiter verschiebt. Die Einigung, die als historischer Kompromiss gefeiert wird, wirkt bei nĂ€herer Betrachtung wie ein Pakt wider Willen. Die Sprachregelungen der Koalition sind weich, ihre Ziele diffus, und die ersten Reibungen ĂŒber Steuerfragen offenbaren, wie wenig Substanz hinter den Formeln steckt.

Politische InstabilitÀt in Deutschland

In einer Gesellschaft, die von Migrationsfragen und ökonomischer Unsicherheit geprĂ€gt ist, erscheinen politische Floskeln zunehmend als Provokation. WĂ€hrend Union und SPD versuchen, den Anschein von HandlungsfĂ€higkeit zu wahren, drĂ€ngt die RealitĂ€t schneller voran als ihre Konzepte. AfD und CDU liegen laut aktuellen Umfragen von INSA und Forsa nahezu gleichauf – ein Alarmzeichen, das selbst unter wohlwollenden Beobachtern die Zweifel an der TragfĂ€higkeit des neuen BĂŒndnisses nĂ€hrt.

Was als Befriedung gedacht war, könnte sich als Katalysator fĂŒr neue InstabilitĂ€t erweisen. Die Unzufriedenheit in zentralen Fragen – Migration, Schulden, Energie – wird nicht geringer, sondern wĂ€chst in das politische Zentrum hinein. Die neue Regierung könnte schneller gealtert sein, als ihr Amtseid trocknen kann.

Sondervermögen und die Auswirkungen auf die Gesellschaft und Politik

Sondervermögen bleiben das stille EingestĂ€ndnis politischer Hilflosigkeit. Milliarden werden bewegt, ohne dass die großen Fragen der Generationenverantwortung beantwortet wĂ€ren. Was heute StabilitĂ€t verspricht, wird morgen die Rechnung prĂ€sentieren – nicht nur finanziell, sondern in Form eines fundamentalen Vertrauensverlusts in die FĂ€higkeit der politischen Elite, das Staatswesen mit Weitblick und Prinzipien zu fĂŒhren.

RĂŒstungsindustrie statt Strukturpolitik:

PrioritÀten im europÀischen Haushalt

Europa verschiebt seine HaushaltsprioritĂ€ten. Wo frĂŒher der Aufbau von Infrastruktur, Bildung und sozialem Zusammenhalt im Mittelpunkt stand, wĂ€chst heute ein Schattenhaushalt aus RĂŒstungsprogrammen und Verteidigungsbudgets. Der strategische Reflex auf eine sich verschĂ€rfende Weltlage ist verstĂ€ndlich – doch er droht, die innere Statik der Gesellschaften zu zerstören.

Geschichte lehrt, dass die dauerhafte Überbetonung militĂ€rischer AufrĂŒstung nie ohne Preis blieb. Die politischen Gebilde des frĂŒhen 20. Jahrhunderts, die ihre wirtschaftlichen Energien in Waffen statt in Wohlstand investierten, zahlten nicht nur in Krieg, sondern auch im Verlust ihrer inneren StabilitĂ€t. Das Ende der Weimarer Republik, das Scheitern Dritter Republiken, ja selbst der Zerfall spĂ€ter Imperien sind stille Mahnungen in den Kulissen der Gegenwart.

Heute droht ein Ă€hnlicher Mechanismus: Jede Milliarde, die aus Bildung, Gesundheit und Infrastruktur abgezogen wird, ist eine Investition in gesellschaftliche BrĂŒchigkeit. Wer morgen Demokratie und sozialen Frieden sichern will, darf heute nicht nur in Panzer investieren.

Eine Politik, die ihre Haushalte als Schlachtfelder betrachtet, wird bald feststellen, dass die wahren Fronten nicht an Ă€ußeren Grenzen verlaufen, sondern mitten durch die eigene Gesellschaft.

Moskau 1945 vs. Normandie 2025

Erinnerungskultur und ihre geopolitische Bedeutung

PArade am 9. Mai in Moskau

Im Herbst 2024, bei einem Besuch in Metz, fielen mir die Vorbereitungen zum 80. Jahrestag der Befreiung Lothringens ins Auge. In den Straßen hingen bereits die Plakate, die an die RĂŒckeroberung durch französische Truppen im November 1944 erinnerten. Keine hastige Propaganda, kein politisches KalkĂŒl – einfach Erinnerung, aufrichtig und tief verwurzelt.

Auch im Elsass, in StĂ€dten wie Straßburg und Colmar, gedachte man der Befreiung frĂŒhzeitig. Jede dieser StĂ€dte trĂ€gt die Narben der Geschichte, in einer Region, die zweimal im kurzen Abstand zum Zankapfel Europas wurde. Und wer einmal an den GrĂ€bern von Verdun stand, weiß, dass diese Erde kein Theater der Sieger war, sondern das ewige Mahnmal fĂŒr den Preis, den Völker zahlen, wenn Stolz die Vernunft besiegt.

Gerade deshalb wirkt es umso bitterer, wie heute mit Erinnerung umgegangen wird.

WĂ€hrend in der Normandie die alten Allianzen in festlicher Pose wiederaufleben dĂŒrfen, wird der 9. Mai in Moskau mit einem Achselzucken bedacht, bestenfalls. Der Westen hat entschieden, sein GedĂ€chtnis zu portionieren: Hier wĂŒrdig, dort beschĂ€mend.

Darstellung eines sowjetischen Soldaten, der im Mai 1945 auf dem zerstörten Berliner Reichstag die rote Fahne hisst. Das Bild symbolisiert das offizielle Ende der KĂ€mpfe in Europa und markiert den militĂ€rischen Sieg der Alliierten ĂŒber das nationalsozialistische Deutschland.

Darstellung eines sowjetischen Soldaten, der im Mai 1945 auf dem zerstörten Berliner Reichstag die rote Fahne hisst. Das Bild symbolisiert das offizielle Ende der KĂ€mpfe in Europa und markiert den militĂ€rischen Sieg der Alliierten ĂŒber das nationalsozialistische Deutschland.

FĂŒr Russland aber – fĂŒr seine Menschen, nicht nur fĂŒr seine Regierung – bleibt der 9. Mai der heiligste Tag der russischen Geschichte. Es ist der Tag, an dem ein Volk, verwundet bis an den Rand seiner Existenz, den Tod besiegte. Wer das Relativieren will, wer die Gedenkfeiern auf dem Roten Platz zum reinen Propagandainstrument erklĂ€rt, verkennt nicht nur die Geschichte, sondern begeht eine neue Form der Ignoranz: die bewusste Entfremdung von Millionen Menschen, die einst auch fĂŒr die Freiheit Europas ihr Leben ließen.

Dass in diesem Jahr keine deutsche Delegation auf dem Roten Platz erscheinen wird, ist mehr als eine diplomatische Unhöflichkeit. Es ist ein Affront. Ein stilles Abreißen jener letzten FĂ€den, die Erinnerung und Anstand miteinander verbanden.

Und ich sage dies nicht aus NaivitÀt. Ich sage es als Brite, als EuropÀer, als Sohn eines Mannes, der das Ende jener Welt erlebte, die nie wieder auferstehen durfte.

Denn wer meint, sich durch selektive Erinnerung moralisch zu erhöhen, wird am Ende nicht grĂ¶ĂŸer dastehen – sondern kleiner. Und wer meint, Geschichte in Freund und Feind zu scheiden, wird feststellen, dass es die Geschichte selbst ist, die ihn vergisst.

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