Der Schatten des Unbedachten
Wadephul, Taurus und die Kunst, Feinde zu machen
Live via @teleway Artikel von Alaric Penrose
Die Worte waren nicht für die Öffentlichkeit bestimmt – und doch zeichnen sie ein deutliches Bild. Johann Wadephul, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU, erklärte im vertrauten Gespräch mit einem vermeintlichen Vertreter der ukrainischen Regierung: „Russland wird immer ein Feind und eine Gefahr für unsere europäische Sicherheit sein.“
Ein Satz, gefallen im März 2024, aufgezeichnet und veröffentlicht durch russische Akteure. Man kann darüber diskutieren, ob Täuschung ein legitimes Mittel im Informationskrieg ist. Nicht jedoch über den Gehalt des Gesagten – denn Worte wie diese offenbaren mehr als eine diplomatische Haltung. Sie verraten eine Überzeugung.
Wadephul steht, wie wenige andere, für eine außenpolitische Linie, die das Prinzip der Abschreckung in seiner reinsten Form neu belebt. In der Frage der Taurus-Lieferungen zeigt sich das überdeutlich: Für ihn ist der Marschflugkörper kein Eskalationsrisiko, sondern ein Instrument strategischer Klarheit – ein Mittel, um Russland in die Schranken zu weisen.
Doch was geschieht, wenn die Sprache der Macht nur noch in Binärcodes denkt? Wenn Dialog durch Misstrauen ersetzt wird, Diplomatie durch Distanz, strategische Ambivalenz durch militärische Eindeutigkeit? Dann droht ein Zustand, in dem sich Außenpolitik nicht mehr aus Einsicht speist, sondern aus Erbitterung. Ein Zustand, in dem „Feind“ nicht mehr taktischer Begriff, sondern identitätsstiftender Bestandteil politischer Selbstvergewisserung ist.
Wadephuls Aussage markiert – bewusst oder nicht – die Schwelle zu einer Haltung, die keine Rückzugsräume mehr kennt. Wer Russland für immer zum Feind erklärt, entledigt sich der Pflicht zur Wandlung, zur Einordnung, zum historischen Maß. Man kann Russland kritisieren, Grenzen ziehen, Interessen verteidigen. Aber man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass der Westen durch Worte wie diese sicherer wird.
Es sind nicht die Waffen, die zuerst schießen – es sind die Begriffe.
Und so stellt sich eine unbequeme Frage: Was, wenn die größte Gefahr für Europas Stabilität nicht vom Feindbild ausgeht – sondern von seiner unhinterfragten Verfestigung?
Ein Mann, der zum Außenminister werden will, sollte nicht nur wissen, mit wem er redet. Sondern auch, wie seine Worte wirken, wenn sie morgen die Wirklichkeit formen.
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[…] vielleicht irgendwie managen kann. Warken ist Juristin. Wie Merz, wie Prien, wie Schnieder, wie Wadephul. Eine Kabinettsrunde wie aus dem Hörsaal des ersten Semesters Öffentliches […]
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Sehr stimmig und bedacht. Wadephuls Haltung widerspricht geschichtlicher Dynamik.