Die Dialektik der Übergangsperiode von Nirgendwoher nach Nirgendwohin
(Originaltitel: Диалектика переходного периода (из ниоткуда в никуда))
Pelevins Roman ist eine düstere, bitterkomische Meditation über eine Gesellschaft, die die Hoffnung längst an die perfekte Simulation verkauft hat.
Buch: Klappentext / Inhaltsbeschreibung
Kurzinhalt:
Pelevin erzählt die Geschichte zweier Charaktere:
Krys: Ein ehemaliger Pornodarsteller, der zum Propaganda-Agenten der Regierung wird.
Sasha: Ein postsowjetischer Internet-Troll und Geheimdienstmitarbeiter.
Beide Figuren bewegen sich durch eine surreale Welt aus Medienlügen, inszenierter Demokratie und totaler Entfremdung. Es geht um die Umgestaltung der Gesellschaft durch virtuelle Realität und den Austausch echter Ideale durch leere Machtinszenierungen.
Thema:
Eine Gesellschaft, die in einer endlosen Übergangsphase gefangen ist – von „nirgendwoher“ nach „nirgendwohin“. Das politische System produziert nur noch Simulationen, keine echten Veränderungen.
🖋️Autor: Wiktor Olegowitsch Pelewin
Geboren: 1962 in Moskau
Beruf: Russischer Schriftsteller, Kultautor
Stil: Satire, Absurdität, postmoderne Literatur
Themen: Russische Gesellschaft, Machtstrukturen, Propaganda, Mediensysteme, Identität
Typisch für Pelevin:
Surreale Erzähltechniken
Gesellschaftskritik mit buddhistischen und esoterischen Elementen
Ironischer, oft bitterböser Stil
Position: Kritischer Beobachter der postsowjetischen Welt und der Putin-Ära.
🏆 Empfehlung?
✅ Ja, aber:
Für Leser, die schwarze Satire, politische Allegorien und postmoderne Romane mögen.
Keine leichte Kost: Philosophisch, teils kryptisch, aber hochintelligent und bitter amüsant.
Empfohlen für:
Leser, die Orwells 1984, Houellebecq oder Dostojewskis böse Seiten schätzen.
Menschen, die sich für Machtkritik und moderne russische Literatur interessieren.
Merkmal | Angabe |
---|---|
Titel (Deutsch) | Die Dialektik der Übergangsperiode von Nirgendwoher nach Nirgendwohin |
Originaltitel (Russisch) | Диалектика переходного периода (из ниоткуда в никуда) |
Autor | Viktor Pelevin |
Genre | Roman, Satire, Politische Allegorie |
Sprache | Deutsch (Übersetzung aus dem Russischen) |
Übersetzer | Andreas Tretner |
Verlag | Suhrkamp Verlag |
Ersterscheinung (Original) | 2021 (Russland) |
Deutsche Ausgabe | 2022 |
Seitenzahl | ca. 280 Seiten |
Format | Hardcover, Taschenbuch, E-Book |
ISBN | 978-3-518-42962-3 |
Preis (Hardcover) | ca. 24 € |
WERKSÜBERSICHT
Jahr | Deutscher Titel | Russischer Originaltitel |
---|---|---|
1992 | Omon Ra | Омон Ра |
1993 | Die Gelbe Pfeife | Желтая стрела |
1993 | Das heilige Buch des Werwolfs | Священная книга оборотня |
1996 | Buddha’s kleiner Finger (Tschapajew und die Leere) | Чапаев и Пустота |
1999 | Generation P | Generation „П“ |
2001 | Der Buddha aus der Vorstadt | Жизнь насекомых |
2003 | Numbers | Числа |
2006 | Empire V | Эмпайр „В“ |
2009 | t | т |
2011 | S.N.U.F.F. | S.N.U.F.F. |
2014 | Die Liebe zu drei Zuckerwürfeln | Любовь к трём цукербринам |
2016 | Lampenfieber | Лампа Мафусаила, или Крайняя битва чекистов с масонами |
2017 | iPhuck 10 | iPhuck 10 |
2018 | Geheimnisse des Kellers | Тайные виды на гору Фудзи |
2019 | Kunst der Leichtigkeit | Искусство лёгких касаний |
2020 | Transhumanismus Inc. | Transhumanism Inc. |
2021 | Die Dialektik der Übergangsperiode von Nirgendwoher nach Nirgendwohin | Диалектика переходного периода (из ниоткуда в никуда) |
2022 | KGBT+ | КГБТ+ |
2023 | Der Verführer (noch keine deutsche Übersetzung) | Укрощение строптивой |
📰 Umfeld und Kritiken
Kontext:
Geschrieben in der Ära Putin, als Russland zunehmend autoritärer wurde, Propaganda den Alltag bestimmte und die Gesellschaft zwischen Zynismus und Abstumpfung schwankte.
Kritik (u.a. Focus):
„Eine bitterböse Parabel auf die Ära Putin.“
„Pelevin rechnet mit der totalen Simulation von Freiheit und Demokratie ab.“
„Grotesk, klug, entlarvend.“
Stimmen in Russland:
Manche feiern ihn als literarischen Dissidenten.
Andere werfen ihm vor, sich in zynischem Pessimismus zu verlieren.
🎯 Wichtige Hinweise:
„Generation P“ (1999) ist eines seiner bekanntesten Werke – über Werbung, Propaganda und den „Verkauf“ der sowjetischen Seele.„Tschapajew und die Leere“ (1996) gilt als eines der besten russischen Bücher der 90er Jahre.
„Empire V“ und „iPhuck 10“ sind extrem beißende Satiren auf Macht, Medien und Transhumanismus.
Ab 2016 wird sein Stil noch zynischer und futuristischer.
Viele seiner späteren Werke sind bissige Parabeln auf moderne, technologisierte Diktaturen.
LESEBERICHT
„Die Dialektik der Übergangsperiode von Nirgendwoher nach Nirgendwohin“ von Viktor Pelevin
Es gibt Bücher, die liest man. Und es gibt Bücher, die schauen einen an.
Pelevins Roman ist letzteres. Ein scharfer Blick in die Augen eines Systems, das vorgibt, eine Zukunft zu haben – und stattdessen nur noch Reflexe seiner eigenen Vergänglichkeit produziert.
Schon die ersten Seiten: wie das Aufwachen in einem Raum ohne Fenster. Worte, die wie scharfe Splitter wirken, ironisch, abgründig, mit einem Lächeln, das nicht fragt, ob es gefallen will.
Pelevin erzählt von Russland, erzählt von Macht, von Manipulation, von einer Ära, die sich selbst feiert und dabei langsam zu Staub zerfällt.
Er tut es mit einer Eleganz, die nicht anklagt – sondern entlarvt.
Meine Eindrücke beim Lesen:
- Wie ein Gespräch mit einem alten Zyniker, der alle Illusionen hinter sich gelassen hat.
- Wie das Licht einer Neonröhre in einem verfallenen Büro: kalt, schonungslos, ehrlich.
- Und dennoch: eine seltsame Form von Trost – weil hier einer hinschaut, wo andere wegsehen.
Stilistisch:
Pelevin balanciert mühelos zwischen Parabel und Satire, zwischen Sprachkunst und bitterer Realität. Keine billige Anklage. Kein Schrei. Sondern ein feines, tödliches Lächeln.
Mein Fazit:
Ein Buch für Leser, die sich nicht mit Parolen abspeisen lassen. Für alle, die ahnen, dass die Übergangszeit nicht endet – sondern unser neuer Normalzustand geworden ist.
Gelesen und für gut befunden.– Louis de la Sarre