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Die stille Erpressung
Eine demokratische Zwangslage in Bayern
Die stille Erpressung
Eine demokratische Zwangslage in Bayern
von Clémence Moreau
„Ich hätte mich verweigern können, ja. Aber dann hätte mich Söder entlassen und mit der SPD abgestimmt. Ich wäre ein toter Held gewesen.“
Ein Satz wie eine Randnotiz. Doch in solchen Nebensätzen liegt die Wahrheit einer Demokratie – nicht in ihren Gesetzen, sondern in ihren Gewohnheiten. Hubert Aiwanger, stellvertretender Ministerpräsident, sprach ihn im März 2025. Ohne Zynismus, ohne Ironie. Und gerade das macht ihn beunruhigend.
Denn dieser Satz ist kein persönliches Geständnis, sondern ein Protokoll des Systems. Er beschreibt eine politische Geometrie, in der Macht nicht erkämpft, sondern verwaltet wird; in der der Wille zur Selbstbehauptung an die Grenzen institutioneller Loyalität stößt.
Der Anlass war banal: ein Nachtragshaushalt, neue Schulden, eine Koalition aus Routine. Doch in der Routine geschieht das Entscheidende. Aiwanger zögerte, Söder drängte, die SPD lächelte aus dem Hintergrund. Was wie eine Abstimmung aussah, war in Wahrheit ein Arrangement: Entweder du stimmst – oder du gehst. Und mit dir deine Partei.
Das ist keine Erpressung im strafrechtlichen Sinn. Es ist der Normalfall politischer Abhängigkeit. Die Drohung steht nicht mehr im Raum – sie ist der Raum.
Kleinere Koalitionspartner besitzen keine Reserve. Keine eigene Bühne, keine zweite Front. Ihre Macht ist geliehen. Und wer geliehene Macht verteidigt, verteidigt nicht mehr Freiheit, sondern Funktion. Aiwanger wusste das. Er hat nicht kapituliert, er hat kalkuliert.
In solchen Momenten zeigt sich, wie still Demokratien ihre Loyalität erzwingen. Nicht durch Angst, sondern durch Zugehörigkeit. Der Mechanismus ist schlicht: Wer im System bleiben will, muss die Form wahren. Wer die Form bricht, verliert die Sprache.
So wird Zustimmung zur Überlebensstrategie. Sie nennt sich Verantwortung, klingt nach Staat, riecht aber nach Selbstzensur.
Die Diagnose reicht tiefer, als sie zunächst erscheint: In der politischen Mitte herrscht kein offener Zwang, sondern ein leiser Imperativ der Gefügigkeit. Demokratie ist dort am verletzlichsten, wo sie sich sicher wähnt.
Denn wenn Freiheit nur gilt, solange sie das Regierbare nicht stört, ist sie bereits eingeschränkt.
Vielleicht beginnt der Verfall einer Demokratie nicht mit dem Lärm der Umstürzler – sondern mit dem Schweigen derer, die bleiben wollen.
























Digitale Illustration erstellt mit Hilfe von KI (DALL·E) im Auftrag von La Dernière Cartouche. Verwendung nur mit Genehmigung der Redaktion.