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Leserbrief zum Essay von Étienne Valbreton

Die zweite Präsidentschaft Trumps – ein Endspiel der Demokratie?

Sehr geehrte Redaktion,

ich habe Ihren Essay mit großer Aufmerksamkeit gelesen – und mit wachsender Beklemmung. Was Étienne Valbreton hier beschreibt, ist mehr als eine politische Entwicklung. Es ist eine tektonische Verschiebung unserer westlichen Wirklichkeitswahrnehmung. Die Diagnose einer Demokratie, die sich selbst zur Inszenierung umgebaut hat, trifft einen Nerv. Und dennoch bleibt ein ambivalentes Gefühl zurück.

Als jemand, der die politischen Entwicklungen regelmäßig über deutschsprachige Medien wie die Tagesschau, das ZDF-Morgenmagazin, gelegentlich auch den Presseclub oder Der Spiegel verfolgt, erkenne ich viele der angesprochenen Tendenzen: Die Aushöhlung demokratischer Institutionen, die mediale Reizübersteuerung, das sukzessive Abdriften des Diskurses in Richtung Spektakel und Polarisierung.

Valbretons Sprache ist scharf, fast chirurgisch. Er schneidet tief – vielleicht auch, weil er selbst nicht mehr an sanfte Heilung glaubt. Seine Beschreibung der zweiten Trump-Präsidentschaft als Ausdruck postdemokratischer Effizienz – nicht trotz, sondern wegen des Chaos – ist verstörend schlüssig. Und doch: Was bleibt dem Leser, außer Fassungslosigkeit?

Die Europakritik im Text ist pointiert, aber nicht frei von Überheblichkeit. Dass Europa nur zuschaut, ironisiert, wegsieht – das stimmt zum Teil. Aber es ist auch ein Zerrbild. Denn es gibt Stimmen, die aufklären, warnen, widersprechen. Auch sie sollten gehört werden, gerade in einem Medium wie dem Ihren, das sich dem aufklärerischen Denken verpflichtet fühlt.

Valbreton erinnert an Arendt, Kant und Camus – eine edle Reihe. Doch ich frage mich: Reicht es, den Kanon zu beschwören? Oder müssten wir nicht konkreter werden – im politischen Handeln, in der Medienethik, in der Bildung? Denken allein wird nicht reichen. Aber es könnte ein Anfang sein.

Was mich beeindruckt hat, war die Deutlichkeit des Schlusses: Keine Erlösung. Kein Held. Kein Messias. Sondern Haltung. Hier spricht kein Schwärmer, sondern jemand, der das Ende der Illusion benennt – und darin paradox eine neue Möglichkeit erkennt.

Mit nachdenklichen Grüßen
Dr. med. Wolfgang Hermann
Mallorca, im Mai 2025